Gesamtansicht Rezensionen

Mit dem Fund von 30.000 Krankenakten aus der NS-Zeit in der ehemaligen Berliner Stasizentrale Anfang der 1990er Jahre und der anschließenden Analyse erhielt die Erforschung der Euthanasieverbrechen neuen Aufschwung. Der Fokus der in Folge der Funde erschienenen Arbeiten lag hauptsächlich auf den Opfern der Euthanasie und der Analyse und Darstellung der Selektionskriterien sowie dem Ablauf der Tötungsaktionen. Verena Christ liefert mit ihrer 2020 erschienen Studie „Täter von Grafeneck. Vier Ärzte als Angeklagte im Tübinger ‚Euthanasie‘-Prozess 1949“ nun einen Beitrag, der sich neben drei Tätern auch einer Täterin der Krankenmorde widmet. …

„Die Erinnerung an den Holocaust als Zivilisationsbruch ist für viele das moralische Fundament der Bundesrepublik. Diesen mit anderen Genoziden zu vergleichen, gilt ihnen daher als eine Häresie, als Abfall vom rechten Glauben. Es ist an der Zeit, diesen Katechismus aufzugeben“, behauptete A. Dirk Moses im Mai 2021 (Moses, „Der Katechismus der Deutschen, 2021. URL: https://geschichtedergegenwart.ch/der-katechismus-der-deutschen/, Stand: 21.02.2022). Moses ist Historiker mit dem Schwerpunkt Völkermord, Erinnerung und Begriffsgeschichte. …

Den Rahmen der Darstellung bilden die heutigen Bemühungen um die deutsch-finnische Freundschaft und die Begegnungen von Vertretern der Zivilgesellschaften beider Länder. Ein historischer Anknüpfungspunkt einer gemeinsamen Erinnerungskultur ist hierbei die von Detlev Pleiss als eine Art ‚Erstkontakt‘ dargestellte Reihe von Begegnungen …

Die Zielsetzung des Bandes ist es, die Etablierung jüdischer Gemeinden im Königreich Schweden auch außerhalb des schwedischen Sprachraumes bekannter zu machen. Vorwiegend untersucht Michael Busch in dieser Studie den Zeitraum zwischen den 1770er und den 1810er Jahren. Die „Judentaufen“ der Zeit seit den 1680er Jahren und der Weg zur Abschaffung des „Judenreglements“ 1838 werden lediglich in kürzeren Kapiteln skizziert. In der Darstellung dieser nicht fokalen Zeiträume folgt der Verfasser weitgehend dem Standardwerk zur Geschichte der Juden in Schweden von Hugo Valentin (1888–1963). Etwa zwei Drittel des Buches sind der Etablierung der jüdischen Gemeinden und der ersten Einwanderergeneration gewidmet. …

Der Blick ins Inhaltsverzeichnis von „Die 101 wichtigsten Fragen: Holocaust“ zeigt deutlich die Vorgehensweise des Büchleins, denn dort sind die titelgebenden 101 Fragen aufgelistet, die von grundsätzlich („Was bedeutet Holocaust?“) bis hin zu spezifisch reichen („Ging Janusz Korczak freiwillig in den Tod?“). Mit ihnen richtet sich Markus Roth primär nicht an andere Forschende, sondern an Laien, denen so ein „Einstieg in eine große Bandbreite von Aspekten der Vorgeschichte, Geschichte und Nachgeschichte des Holocaust“ ermöglicht werden soll (S. 12). Das schafft das Buch in dieser Kürze in bemerkenswerter Weise. …

Die Erforschung der Geschichte der Thüringer evangelischen Kirche während der Zeit des Nationalsozialismus ist vor allem auch deswegen von herausragender Bedeutung, da von Thüringen aus mit der „Kirchenbewegung Deutsche Christen“ (KDC) eine kirchenpolitische Organisation expandierte, die sich nach der Zersplitterung der deutschchristlichen Bewegung in Folge des „Sportpalastskandals“ im November 1933 reichsweit zu einem Sammelbecken radikaler deutschchristlicher Kräfte entwickelte. …

Die Beiträge der Tagung „Das Eisenacher ,Entjudungsinstitut’. Kirche und Antisemitismus in der NS-Zeit“, die im September 2019 am historischen Ort, im Hotel und im Festsaal auf der Wartburg, stattfand, sind in diesem gleichnamigen Band gemeinsam erschienen.
Das Eisenacher „Institut zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben“ (kurz: „Entjudungsinstitut“) wurde am 06. Mai 1939 auf Betreiben der „Deutschen Christen“ und durch die Unterstützung von elf Landeskirchen mit einem feierlichen Akt …

Im April 2018 fand unter dem Titel „Ko-Erinnerung. Grenzen, Herausforderungen und Perspektiven des neueren Shoah-Gedenkens“ eine Tagung des Graduiertenkollegs 1767 „Faktuales & Fiktionales Erzählen“ der Universität Freiburg statt. 2020 ist der gleichnamige deutsch- und englischsprachige Tagungsband erschienen. Maßgeblich auf der Grundlage von Michael Rothbergs Monografie „Multidirectional Memory“ (2009) werden darin verschiedene Aspekte der gegenwärtigen literarischen, medialen und kulturellen Erinnerungen an die Shoah und den Holocaust sowie an andere Genozide und staatlich organisierte Verbrechen vorgestellt. …

Lange Zeit versuchte die postnationalsozialistische Volksgemeinschaft, die Konzentrationslager, ihre Häftlinge und die an ihnen begangenen Verbrechen weit von sich zu schieben, indem die Lager als hermetisch abgeschirmte ferne Inseln des Terrors dargestellt wurden, mit denen die Gesellschaft nichts zu tun gehabt habe. Bereits in etlichen frühen Berichten Überlebender der Lager konnte, wer wollte, zahlreiche Hinweise auf die vielfältigen Verflechtungen der KZ mit den Orten und Regionen sowie ihren Bewohnern in ihrer Nachbarschaft finden. …

Olli Bäckströms auf Finnisch erschienener Lumikuningas ist chronologisch geordnet, springt aber von Kriegsschauplatz zu Kriegsschauplatz. Bäckström folgt den sieben Armeen des Königs von Pommern bis zum Bodensee und von der Mosel bis Schlesien und zwischendurch auch den Tentakeln des Krieges bis in andere Erdteile. Seine Schilderung der Geschehnisse im 'Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation' schöpft er aus drei Hauptquellen, dem Londoner Nachrichtenmagazin „The Swedish Intelligencer“, den Erinnerungen des schottischen Söldnerführers Robert Monro und dem „Mercure françois“. …