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Fortlaufend soll hier die „Drachentöterpose der Aufklärer“ ebenso „systematisch hinterfrag[t]“ werden wie der angeblich betont rückwärtsgewandte Erzkonservativismus ihrer Antipoden, will doch Fillafer die Positionen der Kontrahenten „häufig“ als „zwei Spielarten der Aufklärung“ hervortreten lassen (S. 517). Zu seinem eben illustrierten Stil wie seiner Methode gehört als spezielle Präsentationsform die Abfolge von Analysen und deren Resultate in fotoartiger Weise: Zoom – Weitwinkel – Panorama.
Referiert oben erwähnte These auf das Panorama der Aufklärung Europas, grenzt Fillafer seine vornehmliche Domäne auf Prozesse der hausgemachten Aufklärung in der Habsburgermonarchie ein. …

Es fehlt in der Geschichte des Holocaust nicht an Beispielen für den grenzenlosen Zynismus der Täter (weit überwiegend waren es Männer): Deportationen aus den Gettos und die damit einhergehenden lokalen Erschießungen von Kranken und anderen setzten sie mit Vorliebe an jüdischen Feiertagen an, sie verhöhnten ihre Opfer auf vielfältige Weise, fotografierten dies und sie gaben ihren Mordaktionen gerne zynische Tarnbezeichnungen. Die „Aktion Erntefest“, von der dieser Band von Steffen Hänschen und Andreas Kahrs handelt, ist hierfür ein Beispiel. Hinter dieser Bezeichnung verbirgt sich ein bis heute kaum wahrgenommenes zweitägiges Massaker. Am 3. und 4. November 1943 erschossen deutsche SS-Männer und Polizisten mehr als 42.000 jüdische Männer und Frauen in den Lagern Majdanek, Poniatowa und Trawniki. …

Der Band „‚Entjudung’ von Theologie und Kirche. Das Eisenacher ‚Institut zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben’ 1939–1945“ von Oliver Arnhold kann gleichsam als die Erweiterung und konzentrierte Pointierung seiner zweibändigen ausführlichen Darstellung „‚Entjudung’ – Kirche im Abgrund. Die Thüringer Kirchenbewegung Deutsche Christen 1928–1939 und das ‚Institut zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben’ 1939–1945“ (2010) gelten. Die Zusammengehörigkeit beider Bände zeigt sich nicht zuletzt daran, dass im vorliegenden Band im Wesentlichen auf Fußnoten verzichtet und für Quellennachweise in Klammern auf die ältere Arbeit verwiesen wird. …

Die hier abgehandelten Großgewaltereignisse zwischen Österreich und Italien gelten in diesem Sammelwerk, da an deren Ende 1918 nicht abgegolten, als erster Teil zweier Weltkriege. Und was mit dem „Völkermanifest“ Kaiser Franz Josephs vom 23.5.1915 so personalistisch, fast privat anhebt: „Der König von Italien hat mir den Krieg erklärt“, führt dazu, dass „zwischen dem Kriegsbeginn und dem Jahr 1919 in Italien und Europa Lichtjahre zu liegen schienen“ (S. 12). Über all dem Fact-Finding zu Bedingungen, Erscheinungsformen, Folgen dieses bilateralen Konflikts kreist, kaum direkt so benannt dennoch die Frage nach den Verantwortlichkeiten hierfür. …

Aufgrund ihrer Befassung mit Gedächtniskultur, wie auch der des Vergessens, gilt die akademische Philologin im gängigen Diskurs über Erinnerung als mittlerweile anerkannt arriviert, eingeklinkt. Und mit ihrem Befund, formuliert im Untertitel als die Unterstellung einer Spannung zwischen Angst und Bedarf rücksichtlich des Komplexes „Nation“ in Deutschland, wähnt sie sich wohl aus Betroffenheit wie ihrem Vermögen nach auf den Plan gerufen.
Tatsächlich haftet im mehrfachen Sinn der „Nation“ eine Art deutscher „Komplex“ an, schon wenn sie eine große Kluft „zwischen dem allgemeinen Wissensstand akademischer Forschung“ und „dem gesellschaftlich akzeptierten Narrativ im Bewusstsein einer Nation“ (S. 276) konstatiert. …

Mit dem Fund von 30.000 Krankenakten aus der NS-Zeit in der ehemaligen Berliner Stasizentrale Anfang der 1990er Jahre und der anschließenden Analyse erhielt die Erforschung der Euthanasieverbrechen neuen Aufschwung. Der Fokus der in Folge der Funde erschienenen Arbeiten lag hauptsächlich auf den Opfern der Euthanasie und der Analyse und Darstellung der Selektionskriterien sowie dem Ablauf der Tötungsaktionen. Verena Christ liefert mit ihrer 2020 erschienen Studie „Täter von Grafeneck. Vier Ärzte als Angeklagte im Tübinger ‚Euthanasie‘-Prozess 1949“ nun einen Beitrag, der sich neben drei Tätern auch einer Täterin der Krankenmorde widmet. …

„Die Erinnerung an den Holocaust als Zivilisationsbruch ist für viele das moralische Fundament der Bundesrepublik. Diesen mit anderen Genoziden zu vergleichen, gilt ihnen daher als eine Häresie, als Abfall vom rechten Glauben. Es ist an der Zeit, diesen Katechismus aufzugeben“, behauptete A. Dirk Moses im Mai 2021 (Moses, „Der Katechismus der Deutschen, 2021. URL: https://geschichtedergegenwart.ch/der-katechismus-der-deutschen/, Stand: 21.02.2022). Moses ist Historiker mit dem Schwerpunkt Völkermord, Erinnerung und Begriffsgeschichte. …

Den Rahmen der Darstellung bilden die heutigen Bemühungen um die deutsch-finnische Freundschaft und die Begegnungen von Vertretern der Zivilgesellschaften beider Länder. Ein historischer Anknüpfungspunkt einer gemeinsamen Erinnerungskultur ist hierbei die von Detlev Pleiss als eine Art ‚Erstkontakt‘ dargestellte Reihe von Begegnungen …

Die Zielsetzung des Bandes ist es, die Etablierung jüdischer Gemeinden im Königreich Schweden auch außerhalb des schwedischen Sprachraumes bekannter zu machen. Vorwiegend untersucht Michael Busch in dieser Studie den Zeitraum zwischen den 1770er und den 1810er Jahren. Die „Judentaufen“ der Zeit seit den 1680er Jahren und der Weg zur Abschaffung des „Judenreglements“ 1838 werden lediglich in kürzeren Kapiteln skizziert. In der Darstellung dieser nicht fokalen Zeiträume folgt der Verfasser weitgehend dem Standardwerk zur Geschichte der Juden in Schweden von Hugo Valentin (1888–1963). Etwa zwei Drittel des Buches sind der Etablierung der jüdischen Gemeinden und der ersten Einwanderergeneration gewidmet. …

Der Blick ins Inhaltsverzeichnis von „Die 101 wichtigsten Fragen: Holocaust“ zeigt deutlich die Vorgehensweise des Büchleins, denn dort sind die titelgebenden 101 Fragen aufgelistet, die von grundsätzlich („Was bedeutet Holocaust?“) bis hin zu spezifisch reichen („Ging Janusz Korczak freiwillig in den Tod?“). Mit ihnen richtet sich Markus Roth primär nicht an andere Forschende, sondern an Laien, denen so ein „Einstieg in eine große Bandbreite von Aspekten der Vorgeschichte, Geschichte und Nachgeschichte des Holocaust“ ermöglicht werden soll (S. 12). Das schafft das Buch in dieser Kürze in bemerkenswerter Weise. …