Kriege gehören ins Museum! Aber wie?

Ruhm und Anrüchigkeit vertragen sich nicht! Das ‚Heeresgeschichtliche Museum‘(HGM) in Wien ist in Verruf geraten, nicht zuletzt auch behördlich. Wegen seiner antiquierten Ausrichtung, seines Leitungspersonals in Geschäftsgebarung und politischer Akzente (heute wie traditionell). Seit 1856 bildet das zwar multifunktionale Gebäude, als Arsenal stets militärisch gedacht, eine „belligerante Eigenwelt“; bald genutzt aber als eines der Säulen „musealer Darstellungen der Habsburgermonarchie in Österreich“ (S. 72).

Die Herausgeberschaft des Sammelbandes betont eigens die „weit über die Problematik des HGM hinausgehende“ (S. 14) Brisanz der Debatte. Die Kapitelabfolge lässt als Schwerpunkte solche zur Historisierung des Museums, zu diesbezüglich diversen Positionen sowie zu Vorschlägen für Neuausrichtungen erkennen. Die für die Monarchie zuständige Historikerzunft nimmt sich im Vergleich unaufgeregt aus. Nüchtern wird konstatiert, dass „es sich um die Hinterlassenschaft der kaiserlichen Armee und ihrer Nachfolgeorganisationen“ (S. 319) handelt. Abzutun sei dies aber nicht so, wie im Museum dargestellt. Denn die imposante ‚Ehrenhalle‘ verschweigt die „politisch bedeutungslosen Erfolge in Italien“ (S.86), wie allgemein zur Einschätzung der präsentierten Kriegsgeschichte in den einzelnen Staaten „verlorene oder aber gewonnene Kriege sowie insgesamt [die] jeweils andersartige[n] ‚Polungen‘ im Geschichtsbewusstsein oder in der Gedenkkultur“ (S. 135) gestalterisch berücksichtigt werden sollten.

Die ausgeprägte Tendenz zur „Inszenierung des Vergangenen“ (S. 85) wäre dann, genau genommen, auch von ‚Verlierern‘ den ‚Verlierern‘ geschuldet. Folgerichtig wird in der beibehaltenen Art der Exposition ein „Täuschungsmanöver“ (S. 320) kritisiert. Außerdem hatte die bekannte ‚Passion‘ des Kaisers (Franz Joseph I.) für die ‚k.(u).k. Armee‘ auch als bewaffnete ‚Feuerwehr‘ gegen (verbreitete) innenpolitische Proteste zu fungieren (vgl. S. 321). Innerhalb der Historikerzunft wird auch wohlwollend für Belassung plädiert: da ist etwa „die Darstellung von Tod [überzeugend]“ oder die Säle „zu 1867-1918“ (S. 270/272). – Seit jeher wird das HGM mit Gruft und Krypta assoziiert; genannte Periode gilt als überaus dynamisch formierende, gleichzeitig von Dekompositionssymptomen des Staates übersät.

Wie zu erwarten, wollen Kurator:innen und Kunstpägagog:innen mit ihren Agenden eingebracht sein; entsprechend geht es um die Vermittlung von „Kompetenzen“ (S. 100). Außer Vorstellungen von ausländischen Beispielen (davon: ‚Deutsches Panzermuseum Munster‘), bleiben die konkreten Umsetzungen benannter ‚Leitlinien‘ eher dürftig. Realiter handelt es sich um „Workshops“ (S. 285). Wie jedoch eine „Selbstorganisation des Museumsteams“ „mit einer klaren Positionierung für alle“ (S. 257) vereinbar wäre, bleibt unklar. Wenn Fundamentalkritik, dann von journalistischer Seite: „Kriegsverharmlosung im Museum (S. 221) lautet dann der Vorwurf. Einen Brückenschlag vollzieht die Historik mit der Friedenspädagogik. Erblicken erstere Chancen auf ein Museum „für Konflikt- und Gewaltgeschichte“ (S. 255), plädieren die anderen u.a. für präsentierte Fälle „erfolgreiche[r] gewaltfreie[r] Konfliktbewältigung“ (S. 283). Auch eine Tabelle zur Gegenüberstellung von ‚KGM derzeit‘ und ‚KGM neu’ wird geboten (S. 307).

Spätestens dann, wenn das Verdikt lautet, dass „Gewalt und Krieg nie nur als Geschichte von Siegern ausgestellt werden [darf]“ (S. 316), werden die völlig diversen, ja divergierenden Wissensbestände der Beiträger:innen deutlich. Gegen ein Aneinander-Vorbeireden erfolgt dann die Mahnung, dass „Themen von Militär, Krieg und Sicherheit zu wichtig“ seien, um einen „Spielball“ abzugeben (S. 273).

Mit der „Schutzfunktion des Heeres“, als „Ordnungsmacht bis hin zum Schutz der freiheitlich demokratischen Grundordnung“ (S. 171), sind auch die Trennlinien innerhalb der Debattenführung angesprochen: Sehen die einen mit dem Museum eine „gegenrevolutionäre, also antibürgerliche Ruhmeshalle“ (S. 105), somit die „militärische Herrschaft der Habsburger affirmierend“ (S. 49) zelebriert und konserviert, gehen andere von einem durchaus auch Erhaltenswert, einer Bestandswürdigkeit des damaligen monarchischen Österreich(-Ungarn) aus; bloß auf Bajonetten gegründet ist es dann nicht.

Die „Verwobenheit“ (S. 34) und Weitläufigkeit des ‚Komplexes HGM‘ resultiert daraus, dass just diese öffentliche Institution an unterschiedliche Staats-, Ordnungs- und Österreichverständnisse anstößt. Womöglich macht es das bei der novellierten, aktualisierten Konzeption sogar einfacher. – So einfach, wie der Umstand Österreichs als Migrationsstaat museal die Feststellung im Beitragstitel berücksichtigen könnte: „Ein Museum über Kriege ist ein Museum über Migration!“ (S. 298). Zumindest bei den Autochthonen Österreichs der mittleren und älteren Generation darf das Vorwissen unterstellt werden, dass die historischen Abfolgen von militärischen Niederlagen nicht unbedingt die positive Karriere einer (zivilen) Staatsgemeinschaft verhindern müssen; und dies, noch ehe sie die Schwelle eines ‚KGM neu‘ betreten.

Wie verlautet, wird es einen Wechsel in Konzeption und Führung geben. – Man darf also gespannt sein!  Aber besser auf Grundlage dieses Sammelbandes.