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In den vergangenen Jahren hat der französische Schriftsteller Léon Werth eine kleine Renaissance und Neuentdeckung in Deutschland erfahren. 2016 war nach zwanzig Jahren wieder sein eindringlicher Bericht von der Flucht vor der einmarschierenden Deutschen von Paris nach Südfrankreich auf Deutsch erhältlich. Darin hatte er eindrücklich von den Flüchtlingsmassen, die sich zwischen der in Auflösung befindlichen französischen Armee auf den Landstraßen gen Süden drängten.
Wer sich seinerzeit die Frage gestellt hat, wie es mit diesem aufmerksamen und sprachgewaltigen Beobachter seiner Zeit weitergegangen ist, kann die Antwort darauf nun in einem in mehrfachem Sinne schwergewichtigen Buch finden. …

Die Heraldik wird in dem vorliegenden Werk umfangreich und auch in seinen Verzweigungen zu benachbarten Forschungsdisziplinen ebenso bündig wie verständlich dargelegt. Die Inhalte beruhen auf einem im Untertitel angegebenen Vorläufer, der ‚Wappenfibel’ von 1887. Die Bearbeiter, die selbst dem „HEROLDs-Ausschuss für die Deutsche Wappenrolle (DWR)“ angehören, belassen diese in weiten Teilen unverändert, nehmen aber behutsam Veränderungen im Dienste von Verständlichkeit und Anwendbarkeit vor. Dies betrifft vor allem die klare Gliederung der Teile „Wappenkunde“, „Wappenkunst“ sowie „Wappengebrauch“, unter Beachtung des Wappenrechts“ (S. 9). …

Das Verhältnis zwischen „Mensch“ und „Ding“ scheint für die antike Welt durch Platon klar definiert: Dinge sind Objekte der Wahrnehmung durch den Menschen und daher zu verschiedenen Zeiten unterschiedlich betrachtet. Ihnen stehen die unvergänglichen, ewigen „Ideen“ gegenüber, die zwar in den Dingen als ihren Abbilder enthalten sind, dennoch – so Platon – existieren sie unabhängig von der Wahrnehmung in der Welt, die aus vergänglichem Material geschaffen ist und vergehen wird. Diese Ideen sind in der Wahrnehmung nicht greifbar, aber doch für den Menschen das anzustrebende Ideal. Werden Dinge nach nicht wahrnehmbaren, sondern durch das Denken beeinflusste Rahmenbedingungen sortiert, nähert sich der Mensch diesen Idealen an, ohne sie jedoch jemals zu erreichen. …

Der Journalist und Autor Matthias Heine, der die Germanistik bereits durch sein populäres Buch „Seit wann hat geil nichts mehr mit Sex zu tun? 100 deutsche Wörter und ihre erstaunlichen Karrieren“ bereichert hat, schreibt nun unterhaltsam und fachlich fundiert über die bisher in der Forschung zu wenig berücksichtigten Folgen, die der Erste Weltkrieg und der Untergang des Kaiserreichs für die weitere Entwicklung der deutschen Sprache gehabt haben. „Bis 1914 war Deutsch eine expandierende Sprache. Jahrhundertelang hatte sie zuvor ihren Geltungsbereich vor allem im Osten Europas ausgedehnt. […] Das alles endete mit der Niederlage im Ersten Weltkrieg. Von da an schrumpfte der Geltungsbereich des Deutschen“ (S. 18f.). …

Es ist eigentlich die Mehrsprachigkeit, die heutzutage den Normalfall darstellt. Weltweit leben wir Menschen in mehrsprachigen Gesellschaften und setzen uns unwillkürlich mit den unterschiedlichsten Kommunikationsformen auseinander: Sprachkontakte, Lernprozesse, Mediennutzung und Weltliteratur. Immer wieder gemachte Erfahrungen haben überdies feststellen lassen, dass die durch Mehrsprachigkeit entstandenen Sprachkontakte Einzelner oder von ganzen Gruppen eine sogenannte „subjektive Wirklichkeit“ generiert oder generieren kann, durch die Wandlungen in den unterschiedlichsten Bereichen entstehen können. Diese sind auf gesellschaftliche Verflechtungen zurückzuführen oder gar auf politischen Druck. …

Der Titel der Untersuchung des Literaturwissenschaftlers Sebastian Böhmer: „Zu einer Semantik von unten“ lässt auch Sprachwissenschaftlerinnen und Sprachwissenschaftler aufhorchen und verführt dazu einen Blick über den disziplinären ‚Tellerrand’ hinaus zu wagen.
Das vorliegende Werk kann grob in drei Teile gegliedert werden. Zunächst wird der Gegenpool der bereits im Titel genannten „Semantik von unten“, die sogenannte „Semantik von oben“ vorgestellt und kulturhistorisch in die Epoche der Aufklärung eingeordnet. Die „Semantik von oben“ zielt auf eine perfekte Repräsentation des Gedankens und damit der Wahrheit in der Schrift bzw. dem Geschriebenen. …

Jan Dirk Müller, der nicht zuletzt durch seine wegweisenden Untersuchungen zum ‚Nibelungenlied‘ bekannt ist, widmet sich in seinem aktuellen Buch einem Thema, das – zumindest dann, wenn der Haupttitel in den Blick genommen wird – wie die Wiederholung der Wiederholung erscheinen mag. Weniger aufmerksame Leserinnen und Leser werden, wenn sie das Buch lediglich über diesen Titel zu beurteilen suchen, vermutlich in ‚statu potentialis‘ verharren. Damit jedoch würde ihnen ein interessanter und lesenswerter Quer- wie auch Längsschnitt zur volkssprachlichen Literaturgeschichte entgehen. …

Aus sprachhistorischer Sicht ist die frühneuhochdeutsche Periode ein sowohl inner- als auch außersprachlich bedeutungsvoller Zeitraum, der sich unter anderem durch eine Zunahme der Schriftlichkeit sowie eine Erweiterung des Textsortenspektrums auszeichnet. Das 17. Jahrhundert markiert in den Sprachgeschichten das Ende der frühneuhochdeutschen Periode und wird zugleich als Übergang zum Neuhochdeutschen hin betrachtet. In diesem Zusammenhang werden in der Forschung bestimmte Textsorten, wie Grammatiken und Wörterbücher thematisiert, sowie ausgewählte Faktoren, wie barocke Sprachgesellschaften, Druckerzentren und Kanzleien, hervorgehoben, die den Verlauf hin zur Konsolidierung und Kodifizierung einer neuhochdeutschen Schreibsprache belegen. …

Immer wieder werden gerade auch in der germanistischen Mediävistik Themen aufgegriffen, die trotz ihrer vermeintlichen Gegenwartsferne aktuelle Bezüge aufgreifen. Dies gilt, so scheint es mir, auch für die vorliegende Überarbeitung der Dissertation Maren Großbröhmers, die sich mit dem ‚Erzählen von den Heiden befasst. Da die Arbeit im Wintersemester 2015/2016 in Oldenburg angenommen wurde, ist der Bezug zur ‚Flüchtlingskrise‘ des Spätsommers 2015 zwar lediglich indirekter Natur; er liegt gleichwohl in der Luft. Zumindest werden Parameter erfühlbar, die den Konnex zwischen ‚Heiden‘ und ‚Fremden‘ herzustellen vermögen, und die es offensichtlich auch schon im Mittelalter gab. …

Sie können in variantenreichen Farben und Mustern erscheinen, in verschlüsselter Form Geschichtliches wiedergeben, Propagandamittel sein und patriotische Leidenschaft wecken: Fahnen und Flaggen. Tim Marshall, Brite, weitgereister politischer Journalist, beschreibt in vorliegendem Band Im Namen der Flagge, die Macht politischer Symbole an ausgesuchten Beispielen Entstehung und Bedeutung von heute noch verwendeten Flaggen von Staaten und politischen Organisationen.
Marshall startet mit kurzer Einleitung (S. 7-15), weiß Flaggen als „ein verhältnismäßig neues Phänomen in der Menschheitsgeschichte“ (S. 11) einzuordnen. …