Elternschaft im Wohlfahrtsstaat
Schweden und die Bundesrepublik im Vergleich 1945-2000

Eltern haften für ihre Kinder?

Vater und Mutter teilen sich heute bei der Betreuung und Erziehung der Kinder vermehrt die Aufgaben. Die Soziologen sprechen von einer Institutionalisierung der Elternschaft – der verantworteten Elternschaft über „Kind und Kegel“ also. Die Vorgeschichte ist bekannt. Sie begann während der Aufklärung mit der sogenannten Entdeckung der Kindheit, als dem Vater zunehmend die zentrale Rolle in der Kindererziehung zufiel. Während des 19. Jahrhunderts ist diese Zuständigkeit mit der Dominanz der bürgerlichen Familie zunehmend auf die Mutter übergegangen. Seit den 1960er Jahren haben sich die Anforderungen an die Kindererziehung weiter intensiviert, ablesbar an der Fülle neuer populärwissenschaftlicher Schwangerschafts- und Erziehungsratgeber sowie der weiteren Aufwertung der Kindheit in der Familiengesetzgebung und Familienrechtsprechung. In jüngster Zeit wurden die Anforderungen an die Kindererziehung wieder vermehrt auf die Väter ausgeweitet. Zuerst entdeckten Pädagogen und Psychologen die Väter als wichtige emotionale Bezugspersonen für Schulkinder und Jugendliche, wenig später auch für Kleinkinder. Gleichzeitig entstanden neue kulturelle Konzepte von Elternschaft, und die neue Ratgeberliteratur für Schwangerschaft und Geburtsvorbereitung richtet sich seit etwa zwei Jahrzehnten auch ausdrücklich an beide Elternteile. Die vorliegende Untersuchung, entstanden als Dissertation am Lehrstuhl für Geschlechtergeschichte der Universität Bielefeld, behandelt am Beispiel von Schweden und der Bundesrepublik Deutschland die Herausbildung von Elternschaft anhand der wohlfahrtsstaatlichen Politik der beiden Länder. Die wichtigsten Unterthemen der Untersuchung sind mütterliche Erwerbstätigkeit und Kinderbetreuung, die Debatte über die Geschlechterrollen, Muttergeld und Erziehungsgeld, Elternurlaub und Erziehungsurlaub. Die vergleichende Familiengesetzgebung verdeutlicht, daß sich in der Bundesrepublik Deutschland Mütter erst ein Jahrzehnt später als in Schweden im Begriff der neuen Elternschaft aufgingen. Mit der Herausbildung dieser neuen Elternschaftskonzepte war ein Bedeutungsverlust von Mutterschaft verbunden, die bestimmte Funktionen an die „Eltern“ abgeben mußte. Umgekehrt kam es zu einem Bedeutungszuwachs an Vaterschaft. Resümee: Eine in Ansatz und Durchführung sehr erkenntnisfördernde Untersuchung über die Entwicklung der Theorie und Praxis der Elternschaft.