Der Umfang des Buches wirkt zunächst abschreckend ' 1270 Seiten über ein Institut, das eigentlich nur von 1909 bis 1951 existierte, über dessen Leiter und die darin praktizierte Wissenschaft. Man fragt sich unwillkürlich, ob sich dermaßen viel über die Arbeit einer Einrichtung berichten lässt, die eigentlich eine nur sehr kurze Glanzzeit erlebte und seit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges eher dahinvegetierte. Muss ein Autor bei einem solchen Umfang nicht zwangsläufig über viele Nebensächlichkeiten berichten, über Dinge, die die Nachwelt kaum interessiert? Der Rezensent sah sich bisweilen in seinen düsteren Vorahnungen bestätigt, vor allem in den Kapiteln über die oft sehr kleinlichen Streitigkeiten zwischen einzelnen Wissenschaftlern, die mit bösen Worten und üblen Tricks um Ausstattung und Geltung kämpften. 'Der Campus' von Dietrich Schwanitz lässt grüßen. Insgesamt hat der Autor in dieser seiner Habilitationsschrift zu viel in den Blick genommen. So bleiben etwa die Kapitel über die Nicht-Ordinarienfrage ein Fremdkörper in der gesamten Darstellung. Sie lenken ab von der im Zentrum stehenden Betrachtung der Entwicklung der Universalgeschichte, wie man an der Wende zum 20. Jahrhundert sagte. Heute würde man von der Geschichte der Globalisierung sprechen, die auch die Entwicklung bzw. den Transfer von Institutionen ' im ökonomischen Sinn ' mit einschließt.
Karl Lamprecht nannte seine Neugründung 'Institut für Kultur- und Universalgeschichte' und löste mit diesem Ansatz unter den auf die politische Geschichte fixierten deutschen Historikern bekanntermaßen eine heftige Debatte aus. Mit feinem Gespür für die tiefgreifenden Veränderungen im Zuge der Ersten Globalisierung forderte er dazu auf, die bisher als Nationalgeschichte betriebenen historischen Wissenschaften um eine globale Perspektive zu ergänzen und dabei die wirtschaftlichen und kulturellen Aspekte stärker als bisher zu gewichten. Lamprechts Überlegungen dazu haben heute im Zuge der Zweiten Globalisierung nichts von ihrer Aktualität eingebüßt. Zugleich baute Lamprecht intensive Kontakte zu ausländischen Kollegen in Frankreich, Nord-, Ost- und Südosteuropa sowie den USA auf und holte zahlreiche ausländische Dozenten verschiedener Fachrichtungen an sein Institut. Schließlich reagierte er mit seiner Institutsgründung und der von ihm aufgebauten Mischfinanzierung auf die Gründung außeruniversitärer Forschungsinstitute in den Naturwissenschaften und versuchte, auch in der Geschichtswissenschaft den wissenschaftlichen Großbetrieb zu installieren. Nach seinem plötzlichen Tod im Jahre 1915 wurde Walter Goetz zu seinem Nachfolger berufen, der das Institut bis zu seiner Emeritierung 1932/33 leitete. Die rückläufigen Aktivitäten des Instituts in der Zwischenkriegszeit können als ein Spiegelbild des Backlashs des Globalisierungsprozesses gesehen werden, da auch in Leipzig die persönlichen Beziehungen zu den ausländischen Wissenschaftlern wegbrachen. Auch scheiterte Goetz damit, sein Projekt der Weltgeschichte auf einen internationalen Autorenstamm zu gründen.
Nachfolger von Walter Goetz wurde der Soziologe Hans Freyer, der parallel zum Herrschaftsantritt der Nationalsozialisten die Macht in dem Institut übernahm, seine Vorstellungen gegenüber den neuen Machthabern und den Kollegen aber nicht durchsetzen konnte, 1938 eine immer wieder verlängerte Gastprofessur in Budapest annahm, wo er bis 1945 das Deutsche Wissenschaftliche Institut leitete, währenddessen sein Leipziger Institut in Agonie verfiel, ehe es in einer Bombennacht des Jahres 1943 mitsamt der gesamten Bibliothek völlig ausbrannte. Nach Freyers Entlassung und seiner anschließenden Flucht nach Westdeutschland im Sommer 1948 gelangte der bei ihm habilitierte Marxist Walter Markov an die Spitze des Instituts, das ab 1951 als Abteilung Neuzeit des Instituts für Allgemeine Geschichte weiterlebte. Anfang der sechziger Jahre übernahm Markovs Schüler Manfred Kossok die Lateinamerikaabteilung des Instituts, das bis zur Emeritierung von Markov von beiden gemeinsam geleitet wurde und ab 1974 bis 1990/93 von Kossok allein.
Alle fünf Leiter des Leipziger Instituts beschäftigten sich während dieser Phase ihres akademischen Wirkens mit der Weltgeschichte. Hans Freyer öffnete in seiner Weltgeschichte Europas die alte eurozentrische Universalgeschichte in Anlehnung an Lamprecht wieder zu einer globalgeschichtlichen Sicht und beschrieb den Aufstieg der außereuropäischen Welt. Walter Markov konzentrierte sich auf eine vergleichende Kolonialgeschichte und Manfred Kossok auf eine Weltgeschichte der Revolutionen. Alle diese wissenschaftlichen Ansätze und Forschungen werden von Matthias Middell detailliert beschrieben und sehr sachkundig analysiert. Mit Blick auf diese verschiedenen Hinwendungen zur Globalisierungsgeschichte kommt das Buch zur rechten Zeit. Es zeigt, dass innerhalb der Geschichtswissenschaft und einiger benachbarter Disziplinen schon lange darüber gestritten wurde, wie Weltgeschichte geschrieben werden soll und welche Art von Weltgeschichte die 'richtige' ist, um sich mit den weit zurückreichenden Prozessen der Globalisierung auseinanderzusetzen. Dazu gibt es nicht nur eine einzige Antwort, wie Matthias Middell zum Teil eindrucksvoll zeigen kann.