Die vorliegende, eigentlich überreife Justierung der Stellschrauben zum kompletteren Verständnis der Kriegsmaschinerie während des ‚Großen Krieges‘ zeigt, was eine „feministische Kriegsgeschichte“ (S. 139) „gemäß geschlechtergeschichtliche(r) Theoreme“ (S. 169) zutage befördern vermag: Die Interpretation einer geschlechterspezifischen Funktionsaufteilung im Krieg, so wie sie aufgrund der Geschlechterordnung propagiert und sich auch in der Erinnerung in beförderter Weise halten sollte, büßt nunmehr Entscheidendes ein. Sowohl die angeblich nur von Frauen repräsentierte ‚Heimatfront‘ wie auch die zum vorwiegenden Aufenthaltsort, zur ‚Frontheimat‘ gewordene Sphäre schloss beide Geschlechter mit ein, sodass nun der Vorhang fällt zwischen beschützenden Kriegern und beschützten ‚Heimchen‘ weiblichen Geschlechts. Es sind dies die Bindungen, selbst anonyme, die Allianzen, die schon durch Intimität gegebene Komplizenschaft, die „eine ‚Verehelichung‘ von Krieg und Liebe“ (S. 118) ergaben; all dies von der Kriegsgesellschaft auch zweckreich kanalisiert.
Was dabei der Frauen, was der Männer sein sollte wird von der Autorin zwar separiert, dann aber relational aufeinander bezogen. – Insbesondere für die Frauen ist es ein nachholender Nachruf, der einen – aktualisierten – markant höheren Authentizitätswert beanspruchen kann. Die Autorin schöpft dabei aus Quellen, welche bislang „im Abseits historischer Relevanzen“ (S. 107), der ‚Wiener Dokumentation lebensgeschichtlicher Aufzeichnungen‘.
Ob nun aus Dokumenten Krankenschwestern, Textilarbeiterinnen oder Feldpostkorrespondentinnen beredt werden, in allen Fällen kam es offenbar, abgesehen vom materiellen Nutzen, zur Ausbeutung starker Emotionen, indem der Staat das erotische Potential zur Kriegsfortsetzung instrumentalisierte und er ‚absurder‘ Weise nicht davor zurückschreckte, selbst bei Mädchen bei den ihnen unbekannten Frontsoldaten „an das Muster der Geschlechterliebeanknüpf(en)“ zu lassen (S. 121).
Als Beitrag zur Fundamentierung einer anderen ‚Aushandlung‘ der ‚Kriegserinnerungskultur‘ sucht die Verfasserin einer landläufigen heldischen Version mit nahezu Monopolcharakter beizukommen: Erleichtert durch Publikationen und in der Zwischenkriegszeit ideologisch getragen von ehemaligen Frontoffizieren, hielt und hält sich der Nimbus vom tapfer kämpfenden, jedoch von der Führung verratenen, dann in der ersten Republik vergessenen und nicht bedankten ‚Helden‘. Thesenhaft wendet sie sich gegen ein symptomatisches Versatzstück dieser ‚Version‘, nämlich dass der „Krieg männliche Identität zerstört“ habe (S. 179). Dem stellt sie zwar Nachweise einer ‚Auferstehung‘ militant männlichen Selbstverständnisses gegenüber, „martialischer als zuvor, aber eben auch in Fortführung verloren geglaubter soldatische Werte“ (S. 195). Dennoch gab es eine das Soldatische unterlaufende „Solidargemeinschaft der Familie nach 1918“ (S. 196), eine „Orientierung des Mannes auf stützende familiäre Netzwerke und entsprechende Liebesbeziehungen, in denen er seine Vormachtstellung behielt“ (S. 200). Auf diese Weise wurden „kriegsbedingte Leiden und Verstörungen“ ‚verdrängt‘ und ‚kompensiert‘ (S. 196).
Insgesamt stellt sich hier der Krieg als ein die Frauenemanzipation überwiegend und letztlich retardierender Faktor dar. – Die Autorin bewegt sich in ihren Beweisführungen auch in den Fußstapfen einer um die Genderperspektive erweiterten ‚Psychohistorie’ (der 60-er und 70er Jahre des 20. Jahrhunderts). Die gerechtfertigte Favorisierung der weiblichen Perspektive macht erklärlich, weshalb sie dem bei Männern dominierenden psychologischen Motiv, das Frauen bei diesen in Bezug auf kriegsbedingte ‚Verluste‘ zumindest nicht direkt kompensieren konnten, keinen Raum widmet: dem der Revanche. Eine Vergeltung, wie sie nationalistisch etwa bei Luis Trenker/Fritz Weber zum Ausdruck kommt: „‚Wiederaufstieg deutschen Mutes und deutscher Kraft‘“ (S. 195).
Es ist dies ein Beitrag der Kriegs(folgen)forschung als ‚Friedensforschung‘; nicht zuletzt weil die Verfasserin auch Möglichkeiten mit anführt, die sie zwar bestanden, sich aber nicht durchgesetzt haben. Und zwar Möglichkeiten unter der Voraussetzung, dass weibliche Interessen gesellschaftlich und politisch mehr ins Gewicht hätten fallen können, um die erneu(er)te Tendenz zu einem Großereignis der Gewalt (Zweiter Weltkrieg) zu hintertreiben; zu einer freien Bahn der ‚Männer fürs Grobe‘.