Lo Stato egiziano nelle fonti scritte del periodo tinita
BAR Int. Ser. 1838

Bei der vorliegenden Publikation handelt es sich um die bereits 2008 erschienene Dissertation des italienischen Ägyptologen Simone Lanna, eingereicht an der Universität in Roma. Mit ihr liegt nun ein neues, längst fälliges und erwartetes Werk zur frühägyptischen Administration und Wirtschaft vor. Bislang ist sicherlich das monumental zu nennende Opus des Schweizer Ägyptologen Peter Kaplony das einzige gewesen, welches sich – neben dem von Jochem Kahl herausgegebenen Wörterbuch – mit den entsprechenden Erwähnungen von Titelketten und deren Bedeutung im frühen Ägypten, zur Zeit der formativen Phase beschäftigt. Ein immer wieder hervorgehobenes Problem dieses Monumentalwerkes von Kaplony ist bis heute die Schwierigkeit der Benutzung, da sich viele Informationen – teils leider auch widersprüchliche – in den vielen Anmerkungen und Unterkapiteln versteckt finden. Gerade der Zuwachs an neuen administrativen Quellen, welche insbesondere ein Ergebnis der vielen neuinitiierten Grabungen der letzten 30 Jahre zeitigen – zu erwähnen wäre hier das Grab U-j in Abydos –, macht eine Überarbeitung des bisherigen Standartwerkes aus den 1970er Jahren sehr lohnenswert.

Eben diesen Anspruch zu erfüllen, verspricht der in italienischer Sprache erschienene Band S. Lannas. Das Buch ist in zwei größere Abschnitte unterteilt, dem eine Einleitung und in Englisch verfasste Zusammenfassung vorangestellt worden ist. Der erste Teil beschäftigt sich besonders mit der Zusammenstellung und Präsentation der entsprechenden Quellen, so werden die einzelnen Institutionen wie die Domänen, die in den Quellen genannten Produkte selbst – die wir natürlich vorwiegend aus den funerären Kontexten kennen – und die einzelnen Verwaltungs- und Beamtentitel vorgestellt. Im zweiten und letzten Teil versucht der Autor schließlich aus den zuvor vorgestellten Quellen eine Synthese zum frühägyptischen Administrationsapparat und zur Funktion dieser Institutionen aufzustellen. Dabei scheidet er bereits zu Anfang drei sozialgeographische Schichten (nivelli): 1) die Hauptstadt und die entsprechenden großen Orte, 2) die staatlichen Domänen und 3) die dörflichen Strukturen und mit ihnen verbunden die Problematik des Frondienstes (S. 85-89). Schlussendlich geht er auch auf die Bedeutung der einzelnen staatlichen Institutionen und hier besonders die des Königtums ein.

Besondere Bedeutung hat für ihn der Aspekt der Hauptstadt, die er ganz traditionalistisch mit Memphis besetzt, und neben der es sicher weitere Hauptorte, vielleicht am besten mit den von Christaller so genannten „Zentralorten“ zu vergleichen sind: Hierzu gehören sicherlich Ortschaften wie Naqada/Ombos, Hierakonpolis etc. (S. 85).

Eine große und bislang nur schwer zu beantwortende Frage ist sicherlich die Funktion der jeweiligen, als Domänen bezeichneten Institutionen, die Lanna seinem zweiten nivello zuweist (S. 85ff.). Als Zentren vor allem der agrikulturellen Distribution sieht Lanna sie im engen Kontext und Zusammenspiel von Zentralort und umgebenden kleineren Siedlungen. In ihrer eindeutigen Schreibung lassen sich spätestens ab Djer sogar zwei verschiedene Formen, nämlich Hw.t- und njw.t-Domänen unterscheiden (S. 86). Dabei dienten letztere wohl vor allem als Gründungen für die Versorgung des Grabes und der Totenstiftung eines jeden Königs, was sich auch gut mit den belegten Titeln der Vorsteher dieser Anlagen als sxn-Ax bzw. aD-mr deckt. Die Hw.t-Domänen hingegen scheinen eher als Lieferanten für den Hof und die (noch lebende) Königsfamilie gedient zu haben – belieferten aber ebenso auch das Grab des Königs (S. 87). Von daher ist Lanna sicher Recht zu geben, dass es sich hierbei in jedem Falle um Institutionen handelte, die weitgehend der normalen zu erwartenden Steuereintreiberinstitutionen ausgeschlossen. Etwas problematischer sehe ich allerdings seine These, dass einige der Hw.t-Domänen später in Residenzen umgewandelt werden konnten (S. V). So deutet Lanna auch weitere, traditionell mit dem Steuersystem verbundene Termini wie DfA und jp in einfache Produktbezeichnungen wie „Nahrung“ (DfA) und „Wein“ (jp > jrp) um (S. 87).

Des Weiteren ist dem Autor völlig Recht zu geben, wenn er die Lesung der drei horizontalen Striche als solche für spA.wt (Gaue/Nomoi) interpretiert (S. 87­88; ebenso allerdings bereits: P. Kaplony, Inschriften, Anm. 1600; R. Kuhn, Nar(-meher), im Druck). Die Aussagen, die wir aus der frühen Zeit tatsächlich mit der untersten Verwaltungsstufe, nämlich der der Dorfsysteme kennen, ist tatsächlich äußerst dünn. Lediglich die kleinere Einteilung in Nomoi (spA.wt) ist bereits seit frühester Zeit belegt. Daher vermutet Lanna ähnliche staatliche Redistributionssysteme, wie sie letztlich aus dem Alten Reich recht gut bekannt sind (S. 90-91). Damit verbunden ist freilich die Frage, inwieweit in der formativen Phase (d. h. v. a. 1.-2. Dyn.) bereits der Arbeitsdienst/Frondienst im weitesten Sinne mit Ägypten verbunden werden kann (S. 88-89). Auch scheint es das Privateigentum in der Form nicht gegeben zu haben, vielmehr gehörten das Land und damit zusammenhängende Produkte wahrscheinlich ganz und gar dem Staate sprich der Krone (S. 89). Eine weitere Schwierigkeit stellt mit Sicherheit das Problem des Nachweises der einzelnen Produkte dar. Völlig zu Recht moniert hier Lanna das weitestgehende Fehlen von naturwissenschaftlichen Daten, z. B. zu Gefäßinhalten (S. 89). Daher sind wir auch weiterhin nur ungenügend über viele dieser spannenden Aspekte nur schlecht informiert. Dies gilt freilich auch für die direkte Beleglage der entsprechenden Produzenten wie Bauern, Handwerkern etc. Hier müssen Lannas Auflistung sicher die erst kürzlich von Jones/Köhler publizierten Befunde der Denksteine des Gräberfeldes von Helwan annotiert werden. Letztere zeigen klar auch die Nennung von Handwerkern und Produzenten wie Tischlern, Fleischern etc., die in der neu gegründeten Hauptstadt Memphis lebten und arbeiteten (cf. C. Köhler/J. Jones, Helwan II, SAGA, 2011). Sehr viel besser sind wir sicher über die einzelnen Verwaltungsbeamten – aber auch hier vor allem die der höchsten Elite – über die entsprechenden Siegelabrollungen etc. informiert. Diese Quellen stellen zugleich sicher eine Möglichkeit und einen Indikator für erfolgte Verwaltungsreformen bzw. Veränderungen im Verwaltungsapparat dar. Lanna gelingt es so sehr überzeugend eine solche gewichtige Reform unter Ninetjer glaubhaft zu machen (S. 94), ebensolche Einschnitte sind aber sicher bereits auch in der 1. Dynastie, so beispielsweise unter De(we)n zu konstatieren. Zur höchsten Elite gehört freilich das nächste Umfeld des Königs selbst. Zwar kennen wir diverse Titel und Institutionen wie Residenz (Xnw), Königshaus (pr-nsw) und Palast (aH) bereits teils seit der frühen 1. Dynastie. Wo sie sich befunden haben und wie sie funktionierten, ist uns bislang aber weitgehend unbekannt. S. Lanna folgt der traditionellen These, Memphis sei die Hauptstadt/Residenz der Frühzeit gewesen, woneben es weitere Zentren gegeben hat, die der König häufig besuchte. Gerade der erste Punkt ließe sich, insbesondere vor dem Hintergrund der eigentlich erst in der 2. Dynastie verstärkt belegten Hinweise auf das memphitische Gebiet, redlich debattieren (R. Kuhn, Zur Problematik früher Hauptstädte in der formativen Phase, in Vorbereitung). Auch Lannas Deutung einiger der mit der Residenz sicher zusammenhängenden Titel muss sicher in Einzelfällen überdacht werden. So folgt er letztlich P. Kaplony und vielen weiteren Bearbeitern, wenn er den hinter Nar(-meher) stehenden Beamten mit Titel/Namen Tt ganz traditionell als frühen Hinweis auf den Vezirstitel liest (S. 51-52; 98). Bereits L. D. Morenz hatte 2002; 2004 darauf verwiesen, dass allein sprachgeschichtlich ein Rückbezug auf die Wurzel Ttj - „Jüngelchen“ wahrscheinlicher ist und somit wohl einen Königssohn bezeichnen mag (cf. Morenz 2002; Morenz, Bildbuchstaben 2004).

Von Bedeutung für den frühen Staat waren sicherlich neben den klaren Verwaltungsstrukturen auch die sakralen und ritualistischen Ämter, über die wir aber gleichsam recht wenig informiert sind. Auf Täfelchen und anderen Bildträgern sind es vorwiegend zwei Rituale, denen anscheinend besondere Aufmerksamkeit zuteil wurde: die Thronbesteigung und das Heb-Sed. Als rituelles und sakrales Zentrum sieht Lanna vor allem die Residenz Memphis (99), was, denkt man sowohl an die archäologischen als auch ikonographischen Belege kaum zu überzeugen vermag. Gerade die großen Tempeldepots wie sie aus den unterschiedlichen Fundstellen wie Hierakonpolis, Koptos, Abydos, Tell Ibrahim Awad etc. bekannt sind, belegen m. E. deutlich eine sehr breite Streuung der sakralen Landschaft Altägyptens. Inwieweit sie tatsächlich mit alten Residenzen in Zusammenhang stehen ist allerdings völlig zu Recht zu hinterfragen (Kuhn in Vorbereitung).

Neben der Innenpolitik widmet sich Lanna, leider etwas kurz, auch den außenpolitischen Belangen, die natürlich ebensolche Wichtigkeit für die Verwaltung des frühen Ägypten haben. Inwieweit es sich hierbei aber um tatsächlich forcierte ägyptische Außenpolitik in Richtung Kolonialismus, wie es neuerdings B. Andelkovic vermutet hat und eine sicher zu debattierende These darstellt, werden vom Autor leider nicht angeschnitten. Lanna begnügt sich mit der Nennung einiger Felsbilder und weiterer ikonographischer wie inschriftlicher Verweise, die eine teils kriegerische Auseinandersetzung der Ägypter mit den jeweiligen Nachbarvölkern nahelegen.

Die Arbeit schließt mit einem ausführlichen Anhang, in dem der Leser nochmals die im Text aufgeführten Titel und Institutionen nach Herkunft und Königen geordnet, sowie eine Übersicht über die entsprechenden Funktionen und die Bedeutungsebene erhält. Der Abbildungsteil liefert schließlich, teils leider in recht schlechter Qualität, die Umzeichnungen der im Band verwendeten Quellen. Dabei ist zu erwähnen, dass es sich erneut größtenteils um die Umzeichnungen bzw. Kopien der von Kaplony publizierten Siegelabrollungen und einige neuere Objekte – so aus dem Grab U-j etc. finden, sowie ältere Fotos, die von Sir W. M. Flinders Petrie publiziert worden sind. Als Quintessenz der Arbeit können zudem die letzten beiden Tafeln angesehen werden, die in besonderer Weise nochmals versuchen ein Schema zur frühägyptischen Administration darzulegen. Dabei ist hervorzuheben, dass gerade diese sehr schematische und kleine Übersicht sehr viel besser als andere zuvor publizierte dieser Art, wie beispielsweise die von Wilkinson (2002) vorgelegte, sich klar an die tatsächlich frühdynastischen Quellen halten. Dies kommt auch den Schemata positiv zugute. Während nämlich Wilkinson und viele andere vor allem die aus dem Alten Reich sehr komplex vorliegenden Quellen und Institutionen bis in die Frühzeit zurückzuverfolgen versuchten, geht Lanna den umgekehrten Weg auf Basis der tatsächlichen Quellen. Dies hat aber freilich zur Folge, dass die Aussagen, die wir über die Administration dieser Zeit haben, doch sehr beschränkt sind und vorwiegend in Richtung hohe Kultur und königliche Grabverwaltung gehen. Was allerdings sehr schön die Lücken und damit zukünftigen Aufgaben der Forschung aufzeigt.

Ebenso kann sicher als positives Ergebnis angeführt werden, dass die Arbeit des Italieners sehr viel übersichtlicher und einsichtiger erarbeitet ist und somit einen tatsächlich schnellen Überblick zu den einzelnen Titeln und Institutionen liefert. Wenn man allerdings weitere Forschung betreiben möchte, bzw. weitere Einzelheiten erfahren und bearbeiten möchte, wird einem auch künftig der Blick in das Werk von Kaplony nicht erspart bleiben können. Der interessierte Leser sei zudem auf eine weitere, ganz ähnlich der des Italieners angelegte Arbeit verwiesen, die viele interessante Fragen und Thesen zur frühägyptischen Verwaltung und Wirtschaft aufweist: Die Arbeit der deutschen Ägyptologin Erika Endesfelder war bereits 1980 als Habilitationsarbeit vorgelegt worden und liegt nun erfreulicherweise als publizierte Arbeit (2011, Reihe IBAES) vor.