Das Rätsel der Donauzivilisation
Die Entdeckung der ältesten Hochkultur Europas

Lange musste das deutschsprachige Publikum auf einen Gesamtumriss der so genannten Donauzivilisation warten, die mit heiß debattierten „Schlüsselfunden“ wie den Tărtăria-Täfelchen bis hin zu fein verzierter Keramik aufwarten kann. Der deutsche Kultur- und Sprachwissenschaftler H. Haarmann hat sich nun in seinem neuen Buch der Aufgabe unterzogen diese osteuropäische bzw. alteuropäische Kultur in ihren kulturhistorischen Entwicklungen vom Mesolithikum bis zum Beginn der Kupferzeit einem breitem Publikum zu präsentieren.

Die Entstehung dieser hochinteressanten europäischen Proto-Hochkultur beginnt mit der Neolithisierung am Übergang vom späten 8. zum frühen 7. Jt. v.u.Z. und wird von Haarmann über Kontakte mit dem türkischen Festland durch die Landbrücke des Bosporus erklärt. Im Fokus dieser Betrachtungen steht die Frage nach den frühesten domestizierten Rindern, deren Ursprung genetisch mit Anatolien verbunden werden kann, und die mit großer Wahrscheinlichkeit über eine damals existierende Landbrücke über Griechenland nach Europa kamen (S. 19). Diese Landbrücke (Bosporus), so Haarmann, sei in der zweiten Phase (ca. 6700 v.u.Z.) durch eine immense Flutkatastrophe untergegangen. Diese Katastrophe scheint, wie es verschiedene jüngere Skulpturen und Flutmythen rund um das Mittelmeer zeigen, für lange Zeit in das kulturelle Gedächtnis dieser Region eingebrannt worden zu sein (S. 25 ff.). Archäologisch ist von Interesse, dass etwa gleichzeitig mit dieser Katastrophe neue Technologien wie die Töpferei (ab ca. 6500 v.u.Z.) offenbar binnen kurzer Zeit eine größere Verbreitung u.a. in die Donaugegend finden, die letztlich mit einer Immigration von Bevölkerungsteilen aus Anatolien erklärt werden (S. 27 ff.).

Weitere Zuwanderungen scheinen in der dritten, der so genannten „formativen Phase“ um 6000 v.u.Z. stattgefunden zu haben, nicht zuletzt wohl bedingt durch die günstigeren klimatischen Verhältnisse, wie sie sich durch die rapide Erwärmung ab 5800 v.u.Z. aufzeigen lassen (S. 32). Besondere Bedeutung hierbei kam freilich den Flüssen, wie der Donau zu. Es entstehen so die entsprechenden Regionalkulturen – von Haarmann als Kulturprovinzen bezeichnet – wie Vinča (ca. 5500-3000 v.u.Z.), Karanovo (6200-3000 v.u.Z.), Cucuteni (5050-3500 v.u.Z.) Tisza und Lengyel (ca. 5400-3700 v.u.Z.), die sich von Serbien/Bosnien bis hinein in die heutige Ukraine erstrecken.

Den Nachweis der oben angesprochenen Migrationen versucht Haarmann mithilfe der Genetik (S. 54 ff.), vor allem aber über linguistische Erwägungen zu plausibilisieren. So versucht er den Nachweis zu erbringen, dass etliche sprachliche Wurzeln im Altgriechischen, vorwiegend Personennamen, Toponyme etc., vielleicht sogar bis in das Neolithikum hinein zurückverfolgt werden können. Als mögliche Kronzeugen listet er beispielsweise lithos (Stein) und oinos (Wein) auf (S. 70). Wir gelangen über letzeres Stichwort zur bereits häufig diskutierten Frage nach dem frühen Weinanbau im Schwarzmeergebiet – Haarmann nennt Nachweise für frühen Wein aus Neolithikum aus der Siedlung von Dikli Tash. Tatsächlich haben wir es hier aber mit einem äußerst komplizierten Problem zu tun, nämlich der Frage nach bereits domestizierten bzw. Wildpflanzen. Früheste Hinweise auf Wein, allerdings noch Wildpflanzen, liegen bislang aus Cayönü aus dem 9. Jt. v.u.Z. vor (McGovern, Patrick E.: Ancient Wine. The Search for the Origins of Viniculture, Princeton, Oxford 2007, S. 81). Auch für die frühen europäischen Funde aus der Türkei und Transkaukasien lässt sich nicht in allen Fällen entscheiden, ob es sich bereits um domestizierte Pflanzen handelt (McGovern 2007, S. 74ff.).

 Die Vernetzung der Donauzivilisation mit seinen auch ferneren Nachbarn zeigt sich sicher in besonderem Maße in den Importprodukten wie Obsidian (wohl von der Insel Melos, S. 81), Spondylusmuscheln (Haarmann vermutet auch hier eine alteuropäische Bezeichnung!) und Salz (Bulgarien, östliche Karpaten, S. 83). Die berühmten Tonidole dienten hierbei möglicherweise als Geschenke bzw. rituelle Weihegaben.

Frühe Siedlungen kennen wir bereits aus dem späten 8. Jt. v. u. Z. aus Thessalien, über die Einzelheiten der jeweiligen Architektur auch der jüngeren Phasen sind wir allerdings aufgrund der Erhaltung der archäologischen Befunde nur schlecht informiert. Es dominieren Grubenhäuser, sowie rechteckige Pfostenkonstruktionen, in wenigen Fällen konnten auch größere Reihenhäuser nachgewiesen werden. Ganz zu Recht zieht daher Haarmann Funde tönerner Hausmodelle in seine Beschreibungen mit ein, die eine Existenz sogar mehrstöckiger Bauten annehmen lassen. Die Regionalisierung zeigt sich in jedem Falle nicht nur in der mglw. angewandten Architektur, sondern auch in der differierenden Anlage der Siedlungen. So sind über diesen breiten geographischen (Donau-)Raum Tell- (Gumelnița, Karanovo) wie auch Flachlandsiedlungen (Hamangia, Cucuteni) belegt. Die Größe streut dabei von wenigen hundert bis zu ca. 7500 (z.B. Majdanec'ke) Einwohnern in kleineren Dörfern bis hin zu so genannten „Megasettlements“ (S. 92).

Die Funktion der einzelnen Häuser ist nur schwer näher zu definieren. Besondere Bedeutung gesteht Haarmann der Herdstelle zu, die er bereits mit der erst in jüngerer Zeit belegten Göttin Hestia verbindet (S. 97) und somit zum Altar bzw. rituellen Raum stilisiert (S. 98-99). Tatsächlich wissen wir allerdings kaum etwas über die frühen Kultstätten der Donauzivilisation. Über den Umweg der Tonmodelle (z.B. aus Cǎșcioarele, Mitte des 5. Jt. v. u. Z.) hatte man bereits früh versucht sie zu rekonstruieren. Die bislang ausgegrabenen archäologischen Befunde halten einer solchen Deutung aber bei genauer Betrachtung nur selten stand.

Im gesamten Territorium der Donauzivilisation sind unterschiedliche Traditionen der Bestattung fassbar. Bekannt sind Siedlungsbestattungen sowie Bestattungen in außerhalb der Siedlung liegenden Nekropolen, in Form von Einzel- und Gruppengräbern, Körper- und Brandbestattung (S. 108­-110). Gerade hierauf wird sogleich zurückzukommen sein.

Die Donauzivilisation zeichnet sich durch eine beispielhafte Handwerkskunst aus, die sich in der Webkunst bzw. Textilherstellung (auch hier verweist der Autor auf alte sprachliche Wurzeln für Termini wie Spinnwirtel und Webgewicht [S. 116]), Keramikproduktion – auch die Bezeichnung „keramos“ hat laut Haarmann alteuropäische Wurzeln (S. 122), sowie der Metallurgie äußert. Gerade die letzten beiden Aspekte können nicht hoch genug eingeschätzt werden. So kennen wir die bislang früheste Keramik aus Südosteuropa (ab ca. 6500 v.u.Z.) – auch bereits in Kombination mit dem Töpferrad, dem Vorläufer der Töpferscheibe  –, sowie erste europäische Kupferobjekte (im späten 6. Jt. v. u.Z.) tatsächlich aus dem Gebiet der Donauzivilisation. Alle diese Aspekte haben sicherlich dazu beigetragen, die kulturelle Entwicklung – gerade auch über Handelsbeziehungen – in besonderer Weise voranzutreiben. Die von Haarmann vorgeschlagenen damit zusammenhängenden Rollenverteilungen à la Männer schmelzen und brennen, während die Frauen dekorieren (S. 123), dürften gerade in der Beschäftigung mit der Genderproblematik in den Kultur- und Altertumswissenschaften eher kritisch hinterfragt werden.

Die neolitischen technologischen Entwicklungen haben freilich weitere kulturelle Evolutionen ermöglicht, wozu auch die unterschiedlichen – mit Pomian gesprochen – Semiophoren entwickelt worden sind. Hierunter können sicher Kultgefäße – von Haarmann sehr tendenziell als „anspruchsvolle Keramikgefäße“ bezeichnet (S. 128) –, Tonstempel, Tonidole/Figurinen und frühe Siegel gerechnet werden. Ihnen ist wohl gemein, dass es sich hier tatsächlich um Zeichenträger als auch von der Form allein bereits um Objekte mit Symbolkraft handelt. Für die letztgenannten Aspekte ist zum einen interessant, dass die frühen Zylinderrollsiegel – soweit es sich bei den fraglichen Funden um solche handelt – zeitlich etwas früher als die bisher belegten mesopotamischen Objekte anzusetzen sind, was für den Autor selbstverständlich von großer Wichtigkeit ist. Generell ist allerdings die frühe Datierung im Einzelfall erneut zu prüfen und muss gerade bei vielen Altfunden eher in Zweifel gezogen werden. Einen weiteren Aspekt stellen die Figurinen dar, die zu ca. 90% weibliche Individuen verkörpern (S. 138). Sie sind aus Ton, Stein und Metall gefertigt worden und werden von Haarmann – aufgrund ihrer anzunehmenden kultischen Funktion – als „spirit-holders“ bzw. Attraktoren – also Objekte mit innewohnender spiritueller Macht zum Schutz des Hauses etc. verstanden (S. 139).

Ein Großteil der Handwerksprodukte Alteuropas ist ornamental verziert, wobei Mäander-, Zickzack- und V-Zeichen dominieren, die vom Bearbeiter als „narrative Elemente“, also graphische Umsetzung von Mythen und Lebensraum angesehen werden (S. 144).

Die Gesellschaft der Donauzivilisation beschreibt Haarmann als egalitär (S. 149), wobei er sich auch die Thesen der Anthropologen K. Maisels und D.W. Anthony stützt. Hatten frühere Forscher vor allem auf Basis der vielen weiblichen Tonidole eher eine matrilinear bzw. gynozentrisch ausgerichtete Gesellschaft postuliert (z.B. Gimbutas), sieht Haarmann im Licht auch der jünger hinzugekommenen archäologischen Befunde eine andere Struktur – für ihn fungierte die Familie als Basiseinheit (S. 152). Dies alles ändert sich erst mit der Zuwanderung der Indoeuropäer, womit auch die funktionale-soziale Trennung der Aktivitäten hinsichtlich der Arbeitsteilung beginnt – so zumindest Haarmann (S. 157).

Die vorwiegend weiblich gestalteten Idole verweisen auch auf einen eher weiblich ausgerichteten Götterkanon in der Donauzivilisation – von den vielen Bearbeitern bisher gern als „Große Göttin“ umschrieben. Interessant ist eben in diesem Fall gerade das Auffällige: dass kaum männliche Statuen belegt sind, dafür vermeintlich unterschiedliche Darstellungen und Attribute der Frauenstatuetten. Inwieweit dies tatsächlich auf EINE Göttin – Haarmann geht von Kybele aus - oder vielleicht sogar mehrere unterschiedliche Numina hinweisen könnte, wäre sicher eine Frage, der in Zukunft nachgegangen werden könnte. Der Autor rekonstruiert im Folgenden – vorwiegend auf einige der Symbole, Formen? und Farben? gestützt – eine bunte Welt unterschiedlichster Rituale wie z.B. Fruchtbarkeitsrituale, die letztlich leider doch sehr stark an rezenten ethnologischen Beispielen hängen – eine also nicht ganz unproblematische Methodik. Dies ist umso bedauerlicher, als dass der Autor selbst mehrmals daraufhin weist, wie dünn die Datenbasis ist (S. 174), sodass man sich an mancher Stelle einen kritischeren Umgang mit den entsprechenden Quellen wünschen würde.

Viel Raum gesteht Haarmann naturgemäß der Darstellung des Maß- und Schriftsystems zu, wobei diese „Kulturrevolution“ sicher als eines der wichtigsten Thesen und Themen des Autors betrachtet werden kann (S. 181). Es ist hier nicht der Platz, eine breite Diskussion zu dieser Thematik anzufangen, doch sei in gebotener Kürze auf die Problematik früher Zeichen- und Schriftsysteme hingewiesen. Während die Entwicklung der Kulturtechnik Schrift in den meisten Kulturen vorwiegend mit administrativen und staatlich organisierten Institutionen in Zusammenhang gebracht werden kann, sieht Haarmann eine Verbindung der Schrift in Alteuropa vor allem mit religiösen Tendenzen. Das Hauptmanko dabei ist allerdings, dass Haarmann leider sein Konzept von Schrift gar nicht definiert und dem Leser bis zuletzt einen schlüssigen Nachweis schuldig bleibt, wie sich die entsprechenden Motive und Symbole als Schriftzeichen herausarbeiten lassen können. Nach Meinung des Autors würden besonders frühe Schriftzeugnisse bereits um 5800 v.u.Z. in Form von 700 Zeichen auf insgesamt 970 Artefakten auftauchen. Dreh- und Angelpunkt sind hierbei auch die in der Wissenschaft nicht unumstrittenen Tontäfelchen von Tărtăria, die Haarmann nun mit einem 14-C-Datum von 5370-5140 v.u.Z. belegen möchte, was letztlich nichts an der bereits häufig thematisierten Problematik der Authentizität dieser Objekte ändert. Denn auch der Zusammenhang mit vergesellschafteten Knochen kommt doch etwas überraschend….

Insgesamt zählt Haarmann 1200 Inschriften, die über Ungarn, Rumänien, Bulgarien bis hin nach Serbien vor allem in eneolithischen Fundkontexten belegt sind (S. 199-201). Wie bereits gesagt, müssen die einzelnen Funde und Befunde sicher aber nochmals auf ihre Relevanz als Schriftträger erneut einer Tiefenprüfung unterzogen werden. Als Textträger, so der Autor, fungierten Tongefäße, Kleinskulpturen, Altarmodelle, Weihegefäße, Webgewichte und Spinnwirtel, sowie die bereits genannten Täfelchen. Zusammenfassend kann hier in jedem Falle die Hauptthese des Autors dahingehend erwähnt werden, als dass er somit der Donauzivilisation eine frühe Schrift zubilligt, die um einige Jahrhunderte früher als die frühesten Nachweise in Mesopotamien und Ägypten datieren würden. Diese Schrift wird dann interessanterweise im Zuge des Niedergangs dieser Zivilisation nicht mehr verwendet und bricht spätestens im 3. Jt. v.u.Z. ab.

In seinen letzten Kapiteln widmet sich der Autor schließlich dem Niedergang und dem Erbe der Donauzivilisation. Ersteres hängt seiner Meinung nach stark mit der Einwanderung indoeurpäischer Nomaden zusammen, ihre Bedeutung für die weiteren Entwicklungen wird in der Forschung allerdings kontrovers debattiert. Zum einen wird der sichtbare kulturelle Einfluss mit intensivierten Handels- und Sozialbeziehungen erklärt, wohingegen andere Autoren eher an eine politische Kontrolle des Warenverkehrs denken (S. 226). Während die klassische Donauzivilisation, so Haarmann, eher egalitär ausgeprägt war, ist nun unter dem Einfluss der Einwanderer auch eine Stratifizierung der Gesellschaft zu erkennen. Letzteres zeigt sich in der Qualität und Quantität von so genannten Statussymbolen wie Goldartefakten und Szeptern, wie sie vermehrt in Gräberfeldern wie Varna vorkommen und letztlich auf die allmähliche Bildung einer Aristokratie bzw. Elite schließen lassen (S. 226­–227). In welcher Form die Einflussnahme geschah, ist noch ungewiss, doch scheinen viele bisher bekannte Funde und Befunde auf eine eher friedliche Veränderung/Entwicklung in der 2. Hälfte des 5. Jt. v.u.Z. hinzuweisen. Neben den merkantilistischen Aspekten haben sicher aber auch klimatische Veränderungen eine nicht ganz unwesentliche Rolle gespielt, was sich in besonderem Maße während der niederschlagsreichen atlantischen Periode (4100–3800 v.u.Z.) zeigt. Bereits M. Gimbutas hatte aufgrund künstlerischer und technologischer Aspekte auf einen möglichen Einfluss der Donauzivilisation auf die Entwicklung der mykenischen Kultur angenommen, was Haarmann im Folgenden aufgrund der Kykladenidole und sprachliche Hinweise bestätigt sieht (S. 236–238). So haben seiner Meinung nach unterschiedliche Symbole und „Schriftzeichen“ Eingang in die Linear-A-Schrift genommen (S. 245).

Der abschließende Epilog fasst schließlich die Hauptthesen des Autors abermals zusammen wobei sie – vorwiegend wieder sprachlich argumentiert – die Rolle der Donauzivilisation bis in unsere heutige Zeit angeknüpft wird (z.B. Petersilie etc.). Er endet mit einem kurzen Verweis auf die Bedeutung dieser früheuropäischen (Hoch-)Kultur für die moderne Kunst mit Werken wie sie der rumänische Bildhauer C. Brȃncuși oder H. Moore geliefert haben.

Haarmann ist mit dem zu besprechenden Werk ein flüssig lesbares, gut mit Strichzeichnungen und Schwarzweiß-Abbildungen gespicktes einführendes Übersichtswerk gelungen, das somit nicht nur für den Wissenschaftler, sondern auch den interessierten Laien geschrieben ist. Allerdings haben sich neben den teils etwas gewagten Hypothesen auch einige Flüchtigkeitsfehler eingeschlichen. U.a. stammen die mehrfach zitierten Min-Statuetten aus der formativen Phase Altägyptens nicht aus Abydos (S. 212), sondern Koptos, des Weiteren handelt es sich bei ihnen auch nicht um Grabstatuetten, sondern um Kultbilder in einem bislang nicht völlig erschlossenem Heiligtum. Ebenso ist davon auszugehen, dass Papyrus tatsächlich bereits auch in frühdynastischer Zeit in Ägypten als Textträger Verwendung fand. Haarmann verschweigt in seiner Auflistung allerdings weitere wichtige gut belegte Textträger (vgl. S. 202): z.B. die berühmten, aus Rinderrippen geschnitzten Knochentäfelchen aus dem Grab U-j, sowie Steingefäße.

Während der Fokus freilich auf der Beleuchtung linguistischer Feinheiten und Entwicklungslinien liegt, kommt aber auch die Betrachtung der archäologischen Funde und Befunde nicht zu knapp. Hervorzuheben ist hierbei zudem, dass die wichtigsten von ihnen auch in guten Abbildungen präsentiert werden.

Generell halte ich die Deutung der Donauzivilisation als einheitliche Kultur für äußerst fraglich – gerade die vielen kulturellen Unterschiede auf so wichtigen Sektoren wie Bestattungsbrauch, Siedlungswesen etc. zeigen ja gerade an, dass es sich hier eben um eher unterschiedliche Kulturgruppen zu handeln scheint. Die Gemeinsamkeiten, vor allem mobile Kunstwerke, sind ohne Weiteres über komplexe Handels- und Austauschbeziehungen zu erklären und müssen eben nicht als Marker für eine EINHEITLICHE Kultur in Osteuropa gewertet werden. Allein die sprachwissenschaftlichen/-genetischen Hinweise, auf die Haarmann so häufig abhebt, sind teils schwierig zu bewerten und verdienen sicher in einigen Fällen ebenso eine erneute Tiefenprüfung.

Über allen den vorgetragenen, teils sehr gewagten Thesen und Theorien darf sicher nicht vergessen werden, wie wichtig Bücher dieser Art sind, da sie eben auch einer breiten Öffentlichkeit diese komplexe und leider vielen noch unbekannte Kultur mit seinen spannenden Facetten näherzubringen. Zudem dienen diese Thesen auch immer als fruchtbarer Denkanstoß für weitere Arbeiten.