Egypt at its Origins 2
Proceedings of the International Conference „Origin of the State. Predynastic and Early Dynastic Egypt”, Toulouse (France), 5th-8th September 2005

Mit dem zu rezensierenden Band liegen nun auch die Akten zur zweiten internationalen Konferenz zur Erforschung der Vor- und Frühzeit des alten Ägypten vor, die vom 5.-8.9.2005 in Toulouse abgehalten wurde. Dabei sind 59 Beiträge, die auf die neun Hauptteile entfallen, publiziert. Den jeweiligen Fachartikeln wurden kurze Einführungen vorangestellt, die gleichsam eine kurze Zusammenfassung der folgenden Ausführungen bieten. Im Folgenden können nicht alle Beiträge Erwähnung finden und en detail besprochen werden, vielmehr soll versucht werden, ausblickartig ein Resümee über den gesamten Band zu geben.
Der Entwicklung eines spezialisierten Handwerks vom Neolithikum hin zum Chalkolithikum ist der erste Teil gewidmet. Besprochen werden interessante Aspekte zur Herstellung von Keramik (teils über experimentelle Archäologie erlangt, vgl. Beitrag Baba) sowie die mit ihr verbundene Diskussion um die so genannten pot-marks oder Ritzmarken. Dabei werden auch neue Corpora (z.B. aus Tell el-Farkha und Kafr Hassan Dawood, vgl. Beitr. Jucha; Tassie et al.) vorgestellt. Wichtig scheint mir die Beobachtung, dass wir nun aus Kafr Hassan Dawood Ritzmarken auch von einigen Steingefäßen kennen (S. 210). Hervorzuheben sind die Beiträge zu den Textilfunden von Hochstrasser-Petit (S. 87'97) und Jones (S. 99'132). Hier wird erstmals umfassend das bisherige Spektrum von Textilfunden aus dem frühen Ägypten vorgelegt und auf die technologischen Innovationen des Spinnens sowie der damit einhergehenden Verbesserung der Qualität während der einzelnen Phasen eingegangen.
Als äußerst willkommene Besonderheit für ägyptologische Fachtagungen dürfen die beiden Teile 2 und 3 zu den Themen der physischen Anthropologie und Geo-, sowie der Umweltarchäologie gewertet werden. Im vorliegenden Band erhalten diese Aspekte, die so unumgänglich für die Rekonstruktion der Lebenswelt früher Kulturen sind, die ihnen zukommende Bedeutung durch entsprechend lange und hervorragende Beiträge. Beachtung finden vor allem die Skelettserien der Nekropolen von Adaïma und die des 'Arbeiterfriedhofs HK 43' von Hierakonpolis. Die Bearbeiter berichten über Beobachtungen von Skelettmanipulationen, wie sie bereits von Petrie zu Anfang des 19. Jh. im Gräberfeld von Naqada festgestellt werden konnten. Eine Besonderheit ist zudem die erstmals für Ägypten nachgewiesene Skalpierung an fünf Schädeln in Hierakonpolis. Als mögliche Motivationen diskutieren die Bearbeiter Ansätze wie Bestattungsritual, Menschenopfer und Rituale während/vor der Tötung und Bestrafung von Feinden (bes. S. 326'333).
Unter der Rubrik geo- und umweltarchäologische Untersuchungen werden neueste Methoden und Ergebnisse der Pollenuntersuchungen aus frühzeitlichen Befunden wie den Gefäßinhalten in Adaïma (S. 391'417) und der Brauerei aus Tell el-Farkha vorgestellt (S. 427'441). Des Weiteren werden Nahrungsrückstände von frühen Mumien aus Hierakonpolis besprochen (S. 419'426) und ein Ausblick auf Erntetechniken mittels Kompositgeräten wie Feuersteinsicheln, gegeben (S. 443'462).
Die beiden sich anschließenden Blöcke beschäftigen sich mit den überregionalen Beziehungen der frühzeitlichen Ägypter und ihrer Nachbarkulturen, sowie mit dem Voranschreiten der Binnenkolonisierung, die schließlich zur Vereinigung der beiden Landesteile Ober- und Unterägypten im Verlauf des 3. Jt. v. Chr. führte. Neufunde aus Orten des Nildelta wie Tell el-Farkha sprechen für eine zumindest lokal friedlich vonstatten gegangene Infiltration gegen Ende von Naqada II. Als interessante Gegenthese zur 'Kolonisierung des Nordens durch den Süden' kann der Beitrag von Köhler angesehen werden (S. 515'543). Sie unterzieht die archäologischen Fakten und das Ungleichgewicht beruhend auf Friedhofsfunden im Süden und Siedlungen im Norden einer kritischen Untersuchung (S. 522). Zudem betont sie zu Recht die forschungsgeschichtliche Problematik, in der Ägyptologie generell Dualitäten (z.B. Horus vs. Seth, Norden vs. Süden etc.) vorauszusetzen, die zumeist auf jüngeren Schriftquellen beruhen.
Bei der Betrachtung der Außenbeziehungen gehen die einzelnen Beiträge vor allem auf das Verhältnis des Niltales zu Oasen wie Farafra (S. 569'584) und die Sheikh Muftah-Kultur (S. 585'608) ein. Zudem werden verschiedene Stätten der Levante besprochen, die die These der engen Beziehung zwischen den östlichen Nachbarn und dem frühen Ägypten erhärten: Tel Lod, el-Khawarij. In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass Sievertsen erneut die viel debattierte Frage nach der Herkunft der Nischenfassade stellt. Er spricht sich gegen eine genuin ägyptische Herkunft aus und versucht vielmehr die Argumente für eine Herkunft aus Mesopotamien während Naqada II, also zur Zeit der 'Uruk-Expansion', zu untermauern (bes. S. 798'800). Gerade bei den Betrachtungen der Außenbeziehungen fällt auf, dass der für Ägypten seit jeher wichtige Süden als Lieferant und Korridor für Importgüter wie Gold, Straußeneier und Elfenbein leider nur wenig Beachtung gefunden hat (eine Ausnahme bildet der Beitrag von Guyot, S. 707'740).
Der nächste große Teil des Bandes ist der Analyse früher Schriftzeugnisse und ihrer Relevanz für die Entwicklung des frühdynastischen Ägypten gewidmet. Cervelló-Autuori geht erneut der Frage nach frühen 'Königslisten' nach (S. 878'899). Die Funktion dieser Objekte war aber, so kommentiert der Autor zu Recht, wohl noch nicht der einer frühen Historiographie, sondern diente vielmehr dem Ahnenkult im Zusammenhang mit Horus und Chontamenti. Wichtig ist ebenso der Beitrag McNamaras, der als einer der Ersten versucht den Tempel von Hierakonpolis völlig neu zu bewerten. Zum einen kritisiert er die bisherigen Rekonstruktionen des Tempelareals, die nicht allesamt die archäologische Fundsituation widerspiegeln (S. 913f.). Zum anderen versucht er das Heiligtum entgegen der gängigen Interpretation als Tempel des Horus, als einen Zeremonialkultort für Königsfeste wie das Sed-Fest anzusehen, dass möglicherweise auch in Zusammenhang mit König Nar(-meher) steht (S. 925'928).
Im Folgenden widmet sich Morenz den 'Fest-Schreibungen von Gender' in der Hieroglyphenschrift (S. 937'973). Regen geht der Frage nach dem Wort 'js' für Grab nach (S. 975'984) und Regulski beschäftigt sich mit der Entstehung der Schrift im Zuge der Naqada II-Zeit im Zusammenhang mit der Entstehung eines einheitlichen Staates (S. 985'1009).
Den kultischen, ideologischen und sozialen Aspekten des frühzeitlichen Ägypten widmet sich der vorletzte Abschnitt der Publikation. Anđelkovic versucht Parameter des frühägyptischen Staates herauszuarbeiten (S. 1039'1056). Baduel legt eine interessante Studie zu den Schminkpaletten vor, die den Zusammenhang von Objekt und Kosmetik aufgrund von chemischen Nachweisen von schwarzen, grünen und roten Farbresten analysiert (S. 1057'1090). Dabei kann sie die magische und mglw. medizinische Nutzung der Paletten als durchaus plausibel darstellen. Letztlich versucht sie eine Nachfolgetradition der Paletten in Form von steinernen Kosmetikkästchen und vielleicht sogar Schreibpaletten nachzuweisen, was sicherlich etwas kritischer betrachtet werden muss (S. 1075'1076).
Im letzten Hauptteil des Buches werden schließlich einige neue Grabungsberichte  aus den Nekropolen von Tell el-Daba'a, Tell el-Samara (S. 1151'1155), Hierakonpolis (S. 1159'1194), Buto (S. 1195'1219) und Tell el-Farkha (S. 1221'1229) präsentiert. Der Band schließt mit einer kurzen Übersicht über die Sammlung von frühzeitlichen Aegyptiaca des Archäologischen Nationalmuseums in Saint-Germain-en-Laye ab (S. 1231'1236).
Resümierend kann festgestellt werden, dass das vorgelegte Werk in einem Überblick die neuesten Trends und Forschungsergebnisse in der Erforschung Nordafrikas im 4.-3. Jt. v. Chr. zusammenfasst. Wer sich auf wissenschaftlicher Basis mit dieser Epoche näher beschäftigt, kommt an diesem hervorragend konzipierten und ausgestatteten, wie inhaltlich gewichtigen Band nicht vorbei. In allen Bereichen setzt diese Publikation neue und erfreuliche Maßstäbe.