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"Die Wahrheit ist auf unserer Seite" - WLA-Online - Wissenschaftlicher Literaturanzeiger
"Die Wahrheit ist auf unserer Seite"
Nation, Marxismus und Geschichte im Ostblock

Der Historiographiehistoriker Górny möchte hier eine 'vollständigere Perspektive der marxistischen historischen Wissenschaften in Ostmitteleuropa'(S. 19) liefern, in der Absicht, 'Herkunft und Wirkmechanismen gesellschaftlicher bzw. nationaler Vergangenheitsvorstellungen bewusst zu machen'(S. 14). Dabei konzentriert er sich auf die Verhältnisse in der ĈSSR, Polen und der DDR, zeitlich auf die Stalinära.

In dem sehr instruktiven Kapitel ist von den institutionellen Bedingungen (Zeitschriften, Konferenzen, Lehrwerken, nationalen Gesamtdarstellungen, 'Diskussionskultur') zu lesen, den Parteigremien installiert, um einem 'deutlichen Neubeginn'(S. 15) in der 'sozialistischen Kultur' auch in dieser politikträchtigen Sparte wie der Geschichtswissenschaft Bahn zu brechen. Mit, in gewisser Weise, so Górnys Nachweisversuche, mäßigem Erfolg. Einlässlich tut er dies an der Präsentation von historiographischen, den tschechischen, slowakischen, polnischen und deutschen Traditionen, allerdings nur, um diese dann in den späten 40-er und frühen 50-er Jahren von 'Linientreuen' ablehnen oder goutieren, soll heißen verwenden zu lassen. Präferiert wurden offenbar nationalgeschichtliche Modelle, besser deren Versatzstücke, die Patriotismus sowie einen starken Staat propagierten; 'neue Interpretationen der Nationalgeschichte vorzulegen' oder gar 'den Gegenstand historischer Forschungen völlig zu verändern'(S. 174) wurde klar verfehlt.

Die fallbezogenen (etwa 'antifeudale soziale Revolution', 'Nationalbewegungen des 19. Jahrhunderts') marxistischen Interpretationen, vom Verfasser aufgeboten, unterliegen methodisch ebenso einer Dichotomisierung von Verdikt und Idealisierung bereits früherer historiographischer Sichtweisen. Die zur Orientierung, im Doppelsinn, 'gebotenen' Richtsprüche durch Vertreter der 'Geschichtsinnung' erfolgten dabei nicht einheitlich, so wie auch die Anleihen nach Gutdünken wechselten. Zu einem trennschärferen Ergebnis kommt selbst der Autor nicht, wenn er die Situation in Polen und der DDR als 'uneinheitlich', jedoch die in der ĈSSR als 'hochgradig vereinheitlicht'(S. 385) charakterisiert, in letzterer dann auch 'eigentlich antinationale Ansichten'(S. 387) registriert. Überhaupt stellt er 'Analogien' in allen beobachteten Staaten, wie generell im 'Ostblock', bei der marxistischen Interpretation der Nationalgeschichten fest, allerdings nicht genuine, vielmehr aus dem Fundus der, vielfach historistischen, Geschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts. Wie bereits erwähnt: eine größere Klarheit schafft der Verfasser leider nicht.

Górny beklagt resümierend den verordneten wie sich ausbreitenden 'Schematismus', innerhalb dessen man sich im Zirkel der Historiker bewegte, eines, der 'die Entstehung von Konkurrenzinterpretationen ' beschränkte'(S. 396). ' Im Gegensatz zur Auffassung des gegenständlichen Verfassers ist 'die Qualität des Denkens über die Geschichte'(S. 397) durchaus ein 'nationaler Wert'(als Kompetenz ein Sozialkapital und eine Kulturressource), den, so wie Górny dies beschreibt, der 'reale Sozialismus' eben nicht zu bewahren oder zu retten, sondern niederhalten wollte und es offenbar auch verstand; der Autor ist dann selbst womöglich nicht ganz frei von den Nachwirkungen. Es ist aber ein Gewinn, hier zu lesen, wie die gewaltige Sowjetunion und ihre m.E. Proponenten in den einzelnen Satellitenstaaten Dispositionen für die Historiographen gewaltsam schufen und aufrecht erhielten, mit oder ohne Dekretierungen, alle zum Zweck, sich eine einander konkurrenzierende, nicht-konsensuelle Ausübung des Faches zu verbieten; der politischen Risiken wegen wollten die Führungen sich dies ersparen, mit entsprechend spärlichen, vor allem neuen Ergebnissen für die Geschichswissenschaft. Statt, wie verkündet, mit umwälzend anderen, inhaltlich wie methodisch, Konzepten und Instrumentarien aufzuwarten, der Historiographie ein anderes, eigenes Siegel verliehen zu haben und dies zu bewahren, wurden überkommene Geschichtsmodelle versiegelt.

Folgt man diesem Werk, wäre insbesondere über die Historiographie dieser Staaten (im Stalinismus) das geheime Motto zu setzen: 'Im Osten nichts Neues'. ' Wollten Sie immer schon Genaueres darüber wissen, bei Maciej Górny ist darüber detailreich nachzulesen.