Würde man nach den Nutzen und Nachteil der Philosophie für die Musikwissenschaft fragen, erhielte man in der Monographie Urbaneks fundiert Auskunft. In seiner Rekonstruktion der Beethovenfragmente Adornos als Bezugspunkt für dessen 'Philosophie der Neuen Musik' sind Philosophie und Musikwissenschaft auf Beste miteinander vereint. Dabei verfolgt Urbanek nicht geringeres als die Frage, wie Musikästhetik heute möglich sei und welche Rolle die Position Adornos dabei spielen könnte.
Interessant ist die Schrift aus philosophischer Perspektive aus zweierlei Gründen. Zum einen dürfte für diejenigen, die sich mit der Musikphilosophie Adornos beschäftigen, der produktionsästhetische Hintergrund aufschlussreich sein. Urbanek rekonstruiert den Ort Adornos innerhalb der für ihn prägenden Wiener Schule, der er als Schüler Alban Bergs angehörte, für welche der späte Beethoven eine traditionsstiftende Rolle spielt. Daher vertritt Urbanek die These, dass Adornos 'Philosophie der Neuen Musik' sich 'in all ihren Argumentationsfiguren auf einen bestimmten Referenztext: das ungeschriebene Beethoven-Buch' (13) bezieht. Plausibel ist die Rekonstruktion des Einflusses Beethovens auf die Wiener Schule sowie auf das musikphilosophische Denken Adornos. Dass aber ein geplantes 'Buch' zu Beethoven, an dem Adorno bis in die fünfziger Jahre hinein Fragmente geschrieben hat, der Referenztext zu einem Text sein soll, dessen Text zwischen den Jahren 1938 und 1948 verfasst wurde, ist schon eine etwas gewagte These. Dafür wird der Leser mit einer an Beethoven orientierten Einführung in Adornos Denken über Tonalität entschädigt, wie man sie sich prägnanter nicht wünschen kann. Überzeugend stellt Urbanek dar, inwiefern an Beethoven Adorno musikalisch denken gelernt hat.
Von philosophischem Interesse in systematischer Hinsicht sind vor allem die Ausführungen zu den Begriffen der ästhetischen Erfahrung, der Kunstwahrheit sowie des ästhetischen Spiels. Denn diese sind die Grundlagen für eine allerdings noch zu entwickelnde Musikästhetik, deren philosophische Bedingungen zwischen modernen und postmodernen Denken verortet werden. In Opposition zu Bubner wird - in Koalition mit Menke, Seel und Wellmer - eine Argumentation für eine autonome Kunstwahrheit entfaltet. Zu Recht richtet sich die Kritik an Bubner gegen dessen philosophisch überzogenen Wahrheitsbegriff, den dieser selbst nicht expliziert, sondern lediglich als durch Tradition verbürgt behauptet. Denn der Begriff der Kunstwahrheit kann gar nicht an den Kriterien der Aussagewahrheit, von welcher Bubner ausgeht, gemessen werden. Insofern ist Bubners Kritik an Adornos Wahrheitsästhetik obsolet. Der zweite Kritikpunkt betrifft den Werkbegriff. Pointiert stellt Urbanek fest, dass Bubner, der 'mit der durch die Bewegung der Avantgarde herbeigeführten Krise des Werkbegriffs argumentiert, immer von einem durchaus klassizistisch zu nennenden Begriff eines organischen, integralen Kunstwerks ausgeht' (33). Entscheidend ist dabei der Verweis, dass der Werkbegriff keine absolute Größe ist, sondern geschichtlicher Dynamik unterliegt; was ein Kunstwerk ist oder was als Kunstwerk gilt, ist eine Frage künstlerischer Praxis.
Erstaunt stellt man aber am Ende des Buches fest, dass es sich dabei eher um eine Metamusikästhetik handelt. Denn die Frage, ob oder wie eine zeitgemäße Musikästhetik möglich sei, sollte sich an der aktuellen musikalischen Produktion wie auch Rezeption orientieren. Das Problem einer zeitgemäßen Musikästhetik stellt sich nämlich vor allem, wenn eingeschliffene Kategorien der Analyse, Interpretation und Kritik nicht mehr greifen. Zumindest hätte man sich in exemplarischer Hinsicht eine Anwendung dessen gewünscht, was Urbanek auf knapp zweihundertneunzig Seiten entwickelt. Während mit Adorno, Gadamer und Derrida die richtungsweisenden Ausgangspunkte für die Suche nach einer zeitgemäßen Musikästhetik gefunden sind, muss sich der Leser selbst auf die Suche nach musikalischen Paradigmen begeben. Das Buch ist dennoch lesenswert: Nicht nur hat Urbanek in seinem Buch über den notwendingen Nutzen und Nachteil der Philosophie für die Musikästhetik reflektiert; zugleich expliziert er den Nutzen und Nachteil der Musikästhetik für die Philosophie.