Zuweilen wird Ästhetik als Metaphysik des Schönen als der Sphäre des Empirischen enthoben betrachtet. Mit seiner 'Lehre von den Tonempfindungen' legt von Helmholtz den ersten Versuch dar, das Phänomen musikalischer Wahrnehmung kriterial mithilfe exakter Wissenschaft zumindest in dessen psychoakutischen Grundlage zu erklären und somit ästhetische Phänomene als Gegenstand positiver Wissenschaften zu betrachten. Diese Positivierung ästhetischer Phänomene forderte auch Gustav Fechner mit seiner 'Ästhetik von unten'. Mittlerweile hat sich die so genannte Neuroästhetik etabliert, welche den Versuch darstellt, ästhetische Urteile und Wahrnehmungsvollzüge anhand neurobiologischer Methoden objektiv zu begründen. Dies ist jedoch nicht immer mit einer Reduktion oder gar einem Eliminitavismus neurophilosophischer Provenienz zu vergleichen. Mit dem Sammelband 'Neuroästhetik' versammelt Dresler divergierende Ansätze der neurobiologischen Erforschung ästhetischer Bildwahrnehmung. Von der Kreativitätsforschung, die sich an künstlerischer Produktion besonders deutlich zeige, über den neurobiologischen Nachweis des Zusammenhanges zwischen dem Guten, Wahren und Schönen bis hin zur Frage nach der Universalität ästhetischer Kriterien reichen die thematischen Schwerpunkte.
Ein zentrales Problem, mit dem sich die Autoren auseinandersetzen, ist die Ermittlung eines Zwecks von Kunst. Den Zweck von Kunst versucht bereits Darwin evolutionsbiologisch einzudeuten und sah ihn konsequenterweise als ein Mittel der fitness. Jenseits dieser evolutionsbiologischen Engführung möchte Franz von Kutschera diese Frage beantwortet wissen, da es viele unterschiedliche Zwecke gebe, die man der Kunst zuschreiben könne. Er bringt als möglichen Zweck der Kunst die welterschließende Funktion ins Spiel und sieht in ihr eine Möglichkeit, Gehalte der Wirklichkeit erlebnismäßig nahezubringen. Damit greift er eine Diskussion der Philosophischen Ästhetik auf, wie sie von Danto, Goodman, Seel und Wellmer diskutiert wird. In seiner Kritik an einem rein propositionalen Erkenntnisbegriff, der dem apophantischen Logos verpflichtet ist, scheint er Kunst vor allem auch die Erschließung von Seinsmöglichkeiten zuzuschreiben und einen apriorischen Zugriff auf ästhetische Normativität sowie ästhetischen Gehalt abzulehnen. Damit scheint er sich in ein gewisses Spannungsverhältnis zu anderen Autoren zu begeben, denen vor allem an der Feststellung neuro- wie evolutionsbiologisch determinierter Universalien gelegen ist.
Auf einen erfahrungsunabhängigen und quasi apriorischen Begriff ästhetischen Wahrnehmens scheint Bernd Kersten mit seinem Beitrag 'Mona Lisa: Leonardo da Vincis neurobiologische Entdeckungen' abzuzielen. Zwar kommt bei ihm gelegentlich eine gewisse Nähe zu dem von Alva Noë entwickelten enactive approach der Wahrnehmung auf, indem er etwa auf Beispiele der Gestaltwahrnehmung eingeht, doch von allgemein beobachtbaren kortikalen Repräsentationen während visueller Wahrnehmung wird auf qualitative Identität des Wahrgenommenen geschlossen. Wahrnehmen künstlerischer Bilder wird auch hier im kommunikationstechnischen Modell Sender-Empfänger expliziert. Wie bestimmte Bilder emotional wirken, scheint allein von deren Beschaffenheit abhängig und daher universalisierbar zu sein. Dass Künstler, egal ob Maler oder Komponisten, mit einer gewissen Wirkung beim Rezipienten rechnen, ist unbestritten. Doch dies wäre eher als plausible wahrnehmungspsychologische Faustregel, über die Künstler verfügen, zu begreifen, da sie zugleich auch Rezipienten sind. Fraglich ist jedoch, was daran eine neurobiologische Entdeckung sein soll. Eine ähnliche Verwischung der Ebenen findet sich auch in Helmut Leders Rede von 'Ästhetik', wobei einmal der ästhetisch wahrnehmende Vollzug gemeint ist und ein andermal die theoretische Reflexion über diesen Vollzug.
Auf die Erfahrungsgebundenheit neuer ästhetischer Erfahrung kommt Martin Dresler zu sprechen, der die Aufgabe der Neuroästhetik nicht darin sieht, das 'ganze' oder das Wesen der Kunst mittels Neurobiologie zu erklären, sondern an speziellen Fragen, die Rezeption und Produktion künstlerischer Gebilde betreffen, zu arbeiten. In diesem Sinne lässt er die Gelegenheit nicht ungenutzt, einen Neuroreduktionismus in puncto Ästhetik abzuweisen. Seine Kritik an Zeki, Hirstein und Ramachandran kann als Hinweis darauf genommen werden, dass die neurowissenschaftliche Erforschung ästhetischer Produktion und Wahrnehmung zwar notwendige hirnphysiologische Korrelate nachweisen kann, doch dass das Phänomen des Ästhetischen im Grunde genommen auf zu vielen Faktoren beruhe, als dass es mit neurowissenschaftlichen Mitteln allein erklärt werden könne. Damit stellt er die Frage nach Explanans und Explanandum, da es nicht darum zu gehen scheint, dass die Neurowissenschaften uns das Wesen der Kunst erklären, sondern vielmehr die Kunstrezeption uns Einblick in die Funktionsweisen des Gehirns gestattet.
Auch wenn nicht alle im Buch vertretenen Positionen mit stringenter Argumentation zu überzeugen vermögen, so stellt der Sammelband nicht nur einen guten Überblick über den aktuellen Stand der Forschung dar, sondern kann auch als ein Ausgangspunkt für eine Diskussion über das Verhältnis zwischen Kunst und Wissenschaft, über welches Wolf Singer im Vorwort einige Bemerkungen macht, dienen.