Vor gut sieben Jahren machte sich Günter Figal mit dem von ihm herausgegebenen Band 'Begegnungen mit Hans-Georg Gadamer' um die Vermittlung der hermeneutischen Philosophie Gadamers verdient. Günter Figal hat diesmal elf weitere Autoren eingeladen, um Gadamers Klassiker 'Wahrheit und Methode' auszulegen. Eine internationale Autorenschaft verspricht eine tieflotende Exegese des wohl meistrezipierten Buches zur philosophischen Hermeneutik.
Und das Versprechen wird gehalten. Das Buch ist auch eine Einführung ' auch, aber nicht nur. Klare Darstellung und leicht verständliche Erläuterung wichtiger Begriffe erleichtern den Zugang zu Gadamers philosophischer Hermeneutik. Der Struktur von 'Wahrheit und Methode' folgend nimmt sich jeder Autor in der Regel eines Kapitels an, dessen theoretische Hintergründe erörtert werden. Jedoch wird die Struktur nicht einfach abgebildet, sondern die Verteilung der Kapitel auf einzelne Autoren unterliegt bereits einer Interpretationsleistung, die durch sachlichen Zusammenhang motiviert ist. Eine sachliche Zusammengehörigkeit ist beispielweise Grund für John Sallis, sich nicht nur auf das zweite Kapitel des zweiten Abschnitts des ersten Teils zu konzentrieren, sondern er zieht das letzte Kapitel des ersten Abschnitts 'Wiedergewinnung der Frage nach der Wahrheit der Kunst' mit in den zweiten Abschnitt 'Die Ontologie des Kunstwerks und ihre humanistische Bedeutung' hinüber. Schon bezüglich der Gliederung der Auslegung von 'Wahrheit und Methode' wird mit der Tätigkeit des Auslegens also ernst gemacht.
Wenn die Klarheit in der Darstellung der Argumentation und Sorgfalt in der Erörterung theoretischer Hintergründe Figals Sammelband als eine exzellente Einführung qualifizieren, so wird auch der mit Gadamer Vertraute die Tiefe in der Rekonstruktion der Gadamerschen Theorien zu schätzen wissen und Anknüpfungspunkte für eigene Fragestellungen finden. So wären beispielsweise die Beiträge von Ralph Elm und Donatella Di Cesare hervorzuheben, die Gadamers Philosophie ins Verhältnis zu Autoren wie Wittgenstein und Derrida setzen. Ralf Elm geht es u.a. darum, anhand des Begriffs der chiasmischen Struktur der Erfahrung zu zeigen, inwiefern die Dichotomie von Hermeneutik und Dekonstruktion eine künstliche ist. Der Sache nach, so Elm, habe Gadamer bereits 1960 in 'Wahrheit und Methode' das ausbuchstabiert, was Derrida später als Différance bezeichnet hat (S. 167-68). Di Cesares Empfehlung, Gadamer und Wittgenstein zu lesen, ist gerade hinsichtlich des Spielbegriffs ein wichtiger Impuls zur Erschließung philosophischen Neulands (S.192-93).
Mit einer Auswahlbibliographie wird einschlägige Literatur von und über Gadamer aufgelistet, was einen raschen Zugang zu Literatur für weitere Forschung bzw. Vertiefung in Gadamers hermeneutische Philosophie anbietet. Wer mit 'Wahrheit und Methode' ins Gespräch kommen möchte oder wer in diesem Gespräch weiterkommen möchte, dem sei dieses Buch anempfohlen.