Essen und Trinken im Mittelalter

Der Autor hat als bekannter Göttinger Mediävist den Alltag des einfachen Volkes im Mittelalter, d.h. seine natürliche Lebenswelt mit ihrem vielfältigen soziokulturellen Netzwerk, aus überlieferten zeitgenössischen Quellen wie auch durch Zusammenfassung weit verstreuter bisheriger Forschungen in seinen Büchern neu zu klären versucht. Hier beschäftigt er sich, gleichsam als Krönung seines Schaffens, in seinem letzten posthum erschienenen umfangreichen Werk mit der täglichen Kost und wird nicht müde, immer wieder die damals generell viel zu knappe Nahrungsdecke und den dauernden Kampf gegen Hungersnöte zu betonen. Dabei beschreibt er nicht nur die Produktion, Distribution und Konsumtion aller wichtigen Lebens- und Genussmittel, sondern auch die ständischen Rangunterschiede bei den Mahlzeiten und Wechselwirkungen zwischen Ernährung, Rechtsordnungen, Volksfrömmigkeit und andere kulturelle, wirtschaftlich-technische sowie gesundheitliche Determinanten.
Seine Untersuchung ist wiederum eine klare Absage an die immer noch so beliebten romantischen Idyllisierungen des Mittelalters wie völlig skurrile Vorstellungen über eine damals angeblich natürliche, chemikalienfreie und damit optimal gesunde Ernährung, zu der man zurückkehren sollte. Der Rezensent hat jahrzehntelang das Dickicht der Nahrungsgewohnheiten in Deutschland unter dem Einfluss von Urbanisierung und Industrialisierung seit dem späten 18. Jahrhundert mühsam zu durchdringen versucht und muss nach Lektüre dieses Buches bewundernd gestehen, dass er hier durch das Aufspüren neuer Fakten und ihrer historischen Verknüpfungen manches dazu gelernt hat. Hier ist ein äußerst gewichtiges, gedanklich  ungemein anregendes Standardwerk für diesen Problembereich entstanden, das die Forschung verschiedener Disziplinen sicherlich befruchten wird.
Wenn ein Mittelalterforscher wie Michael Borgolte die ausführliche Deskription der reichlich oft beschriebenen klösterlichen Armenfürsorge hier vermisst und Schuberts Kritik an einem Bischof als Verengung der Blickweise aufgeregt als Fehlurteil bezeichnet, dann kann man nur aufgrund des internationalen Wissensstandards sachlich feststellen, dass er offenbar von der historischer Nahrungsforschung wie überhaupt von der überall rasch voranschreitenden neuen Kulturgeschichte der alltäglichen Lebensformen nicht viel versteht.