Wolfgang Amadé Mozart
Leben - Musik - Werkbestand

Das Mozart-Jahr warf seine Schatten voraus, als das vorliegende Buch 2005 erschien: Rechtzeitig sollte dem Jubilar ein Geschenk gemacht werden, ihm, der uns alle mit seiner Musik beschenkt hat. Und dieses Gegengeschenk - um es vorweg zu sagen - hätte ihm wohl gefallen: Man könnte meinen, sein 'weißes Lachen' zu hören, wie es Hermann Hesse im Steppenwolf beschrieben hat.
In einem anspruchsvollen Stil, jedoch ohne Schnörkel, stellt der Autor Leben, Musik und Werkbestand des Götterlieblings dar. Eingeleitet wird das Buch im Teil I 'Leben' durch eine abgespeckte Biographie, die nur auf Belegbarem beruht und auf alle Klischees, Spekulationen oder historisch geprägten Mozart-Bilder verzichtet. So wird u.a. die angeblich revolutionäre Lebenseinstellung des jungen Mannes, der in Wien einen Fußtritt als 'Entlassungsurkunde' aus Colloredos Diensten entgegennimmmt, entmythologisiert: Mozart hat bis an sein Lebensende eine feste Anstellung bei Hofe angestrebt. Klarer als in mancher schwülstigen Biographie wird der Lebensweg nachgezeichnet, der - wie sich aus Eigen- und Fremdbelegen schließen läßt - zum Schluß auch von Depressionen gekennzeichnet war und so durchaus nicht dem Klischee des immer heiteren Genies entspricht. Über die vermutliche Todesursache macht der Autor keine Aussage; für Interessierte sei hier verwiesen auf Landons Buch 'Mozarts letztes Jahr'.
Der Teil II 'Musik' ist eine konzise Einführung in den augenblicklichen Stand der musikologischen Forschung mit einer auch für den Laien gut verständlichen Darstellung von Mozarts Kompositionstechnik, die eklektisch alle bekannten Stilmittel aufsaugt, um daraus etwas bisher nie Dagewesenes, Neues zu erschaffen. Die alte Mär jedoch, die Werke seien dem Kopf des Künstlers fertig entsprungen wie Pallas Athene dem Haupt des Zeus, wird anhand der vielfältigen Skizzen und Fragmente erneut widerlegt. Mozarts Kompositionstechnik entspricht einer 4-fachen 'Stufenleiter': Am Anfang steht die vorschriftliche Werkidee, die dann in einer oft nicht entschlüsselbaren Privatschrift fixiert wird. Anschließend erfolgt die 'öffentliche' Niederschrift in Form einer Entwurfspartitur mit dem Satz der Hauptstimmen. Dieses Niederschreiben nennt Mozart selbst 'Komponieren', und erst die Ergänzung mit dem Binnensatz ergibt die fertige Partitur. Letzteren Vorgang nennt Mozart 'Schreiben'.
Der Teil III 'Werkbestand' schließlich ist eine stupende Synopsis der historisch gewachsenen Werkverzeichnisse unter Einschluß aller Skizzen und Fragmente und stellt ein äußerst hilfreiches Corpus für den Musikwissenschaftler dar.
Einige Kleinigkeiten fallen auf, die leicht zu korrigieren wären, so z.B. der überflüssige accent grave auf italienischen Wörtern ('Rondò', 'à due'). Auch stört der unnötige Telegrammstil an wenigen Stellen (z.B. S. 252, vorletzte Zeile: '...bekannt nur aus Brief an den Vater...'), und es fehlen im vorgeschalteten Abkürzungsverzeichnis einige Erklärungen (z.B. von 'St.' und 'deest').
Eine Erweiterung der Bibliographie durch vermehrte Aufnahme nicht-deutschsprachiger Autoren oder relevanter Belletristik hätte den zur Verfügung stehenden Rahmen wahrscheinlich gesprengt. Der Musikwissenschaftler und interessierte Laie wird daher nur kursorisch auf weiterführende Literatur verwiesen. Alles in allem erfüllt das Buch aber den Anspruch eines Standardwerkes, auf das kein Mozart-Liebhaber verzichten sollte.