Mozart-Handbuch

Dieses Buch und Ulrich Konrads 'Wolfgang Amadé Mozart' ergänzen sich zum 'Doppelpack'. Auch dieses 'Handbuch' ist ein vorauseilendes Geschenk zum Jubiläumsjahr 2006. Erklärtes Ziel dieses Buches, das Beiträge namhafter Autoren enthält, ist es, unter Weglassung aller biographischen Arbeiten, die inzwischen die stattliche Anzahl von 20.000 erreicht haben, Mozarts Gesamtwerk Opus für Opus mit denjenigen relevanten Details darzustellen, die die Musikforschung seit Beginn des 20. Jahrhunderts zu dem bestehenden Fundus hinzufügen konnte. So wird auch die Rezeptionsgeschichte nahezu bis auf den heutigen Tag fortgeführt, so z.B. mit den diversen 'Uraufführungen' der Oper 'L'oca del Cairo' oder der skandalträchtigen 'Don Giovanni'-Inszenierung von Calixto Bieito in Hannover.
Der Aufbau des Handbuches orientiert sich an der Neuen Mozart-Ausgabe (1955-1991), verzichtet aber auf deren Notenbeispiele und Abbildungen und verläßt sich ganz auf die verbale Auseinandersetzung mit dem Leser (Möglicherweise hat diese Beschränkung auch presserechtliche Hintergründe). Auf eine ausführliche Bibliographie, die an die 20.000 Belege hätte berücksichtigen müssen und eine eigenes Buch gefüllt hätte, wird verzichtet. Es erfolgen nur einige allgemeine Literaturhinweise nach dem Vorwort und einige spezielle nach den einzelnen Kapiteln.
Das Buch wird mit einer Zeittafel eröffnet, die als konzise Mozart-Biographie gelesen werden kann und auch Angaben zu wichtigen Ereignissen der europäischen Geistesgeschichte enthält. Als einziges Manko erscheint darin das angebliche Verdikt der Kaiserin Maria Ludowika über die Oper 'La clemenza di Tito' ('una porcheria tedesca'), das nach Ulrich Konrad ('Wolfgang Amadé Mozart', S. 127 und S. 141, Anm. 168) 'durch keine authentische Quelle belegt' ist.
Die nachfolgende Einleitung der Herausgeberin betont, wie sehr die Legendenbildung den Menschen Mozart und seinen Schaffensprozeß verschleiert hat, wobei der Komponist selbst auch seinen Anteil hieran hatte, war doch z.B. der Tenor eines jeden Briefes immer auf die erwartete Haltung des Adressaten ausgerichtet. Summa summarum gibt nach Meinung der Herausgeberin Mozarts Biographie keine Erklärung für sein Werk und vice versa, was Wolfgang Hildesheimer einmal folgendermaßen ausgedrückt hat: 'Mit unserem Wissen kommen wir zwar dem Rätsel (zu ergänzen ist <Mozart>) näher, aber nicht der Lösung'.
Die Besprechung der einzelnen Kapitel würde den Rahmen dieser Rezension sprengen. Daher soll nur - nach Gusto des Rezensenten - auf wenige Werkgruppen eingegangen werden.
Im Kapitel 'Oper' wird jedes Werk mit folgenden Angaben bedacht: Librettist, Uraufführungszeitpunkt und -ort, Personen- und Orchesterbesetzung, Spieldauer, Handlungszeit und -ort, Handlung. Es folgt ein Kommentar, der i.d.R. sehr ausführlich ist und auch divergierende Ansichten über das Werk wiedergibt. Besonders erhellend ist für den Heutigen die ausführliche Rezeptionsgeschichte, die z.B. für den 'Don Giovanni' den Schlingerkurs von romantischer Verklärung dieser Oper bis zu ihrer Verunkenntlichung durch das Regietheater nachzeichnet.
Bei den Sinfonien hat sich der Rezensent die Nr. 40 in g-moll herausgepickt: Neben der Werkanalyse, die u.a. eine Verwandtschaft des Hauptthemas mit der Cherubino-Arie aus 'Le nozze di Figaro' aufzeigt einschließlich deren Sprachduktus in Form des italienischen Zehnsilbers decasillabo, frappiert die subjektive Deutung dieser Musik durch verschiedene Autoren, die von 'nur Schmerz und Klage' bis 'griechisch-heitere Grazie' (Robert Schumann!) geht.
Beschlossen wird das Handbuch von einem Personenregister, dessen Ausführlichkeit hätte komplettiert werden können durch die Aufnahme derjenigen Autoren, die in der Bibliographie der Einzelkapitel aufscheinen. Trotz diesem kleinen Manko liegt ein Buch vor, das ' wie Ulrich Konrads 'Wolfgang Amadé Mozart' ' in die Bibliothek eines jeden Interessierten gehört.