Nel libro di Laura
Petrarcas Liebesgedichte in der Renaissance

Das Petrarca-Jahr 2004 ist vergangen, und das ziemlich sang- und klanglos, was den deutschen Sprachraum anbelangt. Dafür hat jetzt das Einstein-Jahr begonnen, gefeiert mit Aplomb auf der höchsten politischen Ebene. Der Vorgang ist symptomatisch für unsere Welt-Gesellschaft; er zeigt wieder einmal: Geist ist nicht gleich Geist. Es scheint so zu sein, daß nur noch das zählt, was sich in Zahlen und Formeln ausdrückt und was somit 'objektive' Hilfestellung geben kann bei der Bewältigung des Lebens, für die wir immer mehr die Krücken der Technologie meinen in Anspruch nehmen zu müssen. Diese einleitende Bemerkung soll nicht die grandiose synoptische Leistung eines Jahrhundert-Physikers schmälern. Doch soll sie zeigen, wie weit uns schon eine andere Art von Geist aus dem Blickfeld geraten ist.
Denn die Poesie fristet in unserem alltäglichen Leben nur ein kümmerliches Dasein trotz wohlgemeinten Plakataktionen, zu denen sich in seltenen Jahren die Kommunen aufgerafft haben. Und so kommt es, daß ein Revolutionär ' und Petrarca ist auf seinem Gebiete ein Revolutionär ' nach 700 Jahren nahezu aus dem kollektiven Gedächtnis entschwunden ist und der andere Revolutionär, Einstein, der unser Verständnis von der Welt grundlegend verändert hat, auf den Schild des technologischen Fortschritts gehoben wird.
Da tut es gut, daß ein kleines Land wie die Schweiz und hierin der provinziell anmutende Ort Basel, den wir alle nur von seinen Fasenacht-Umzügen kennen, sich ihres humanistischen Erbes besinnen und dem größten Dichter der beginnenden Renaissance eine Ausstellung widmen. Um das Buch zu dieser Ausstellung, dreisprachig angelegt, geht es hier.
Um es vorweg zu sagen: Das Buch 'Nel libro di Laura' ist keine schlichte Beschreibung der Druck-Exponate, die zum größten Teil aus Basel stammen und die eine Jahrhunderte andauernde Petrarca-Rezeption belegen. Vielmehr ist es ein Kompendium über den Petrarkismus in seinen europäischen Ausprägungen. Ein besonderes Verdienst besitzt es damit, daß es neben den philologischen auch die musikologischen Aspekte der Kunstströmung, zu deren Entwicklung Petrarcas Canzoniere den Anstoß gegeben hatte, ausführlich beleuchtet.
Schon der Beginn des Buch-Mottos zeigt, mit welcher Wucht und Durchschlagskraft sich ein Gedanke ausbreiten kann, wenn die Zeit dafür reif ist: '... i pensier' son saette,...'. Und dieser Gedankenpfeil fliegt durch die Jahrhunderte und trifft noch so manchen uns nahestehenden Dichter wie Rilke, der sich in seiner 1. Duineser Elegie der Petrarkistin Gaspara Stampa mit seinem Schmerzempfinden vergleicht.
Die Beiträge des Buches sind alle gut fundiert und nahezu durchgehend gut lesbar. In der Einleitung, geschrieben von zwei italienischen Petrarca-Forschern, stören bei der vorliegenden deutschen Übersetzung einige Italianismen wie 'neoplatonisch' statt 'neuplatonisch' oder 'Pentagramm', mit dem nicht das magische Zeichen der Kabbala, sondern das Notenliniensystem gemeint ist. Auch befremdet die Namensform 'Roland de Lassus' des Komponisten, der in der Musikwelt allgemein als 'Orlando di Lasso' bekannt ist.
Hochinteressant ist der Artikel, der sich mit der Ausbreitung des Petrarkismus im Frankreich des 16. Jahrhunderts befaßt: Er führt plastisch vor Augen, wie sich die poetische Liebe der Petrarkisten aus himmlischen Höhen in irdische Niederungen herabsenkt und wie sich unter königlicher Ägide ein Laura-Kult in Avignon entwickelt, der alle Komponenten einer Heiligenverehrung enthält.
Gegenüber der Reihe brillanter Beiträge, von denen sich einer mit der Vertonung von Petrarca-Madrigalen befaßt, fällt der Artikel von Frank Hieronymus ab, der sich mit der Drucklegung der Werke des Dichters, und dies speziell in Basel, befaßt. In aller Breite werden dabei die Widmungen einzelner Ausgaben zitiert; und der Autor faßt in ermüdender Weise diese Widmungen noch einmal mit eigenen Worten zusammen. Hier fehlte offensichtlich der wohltuende Rotstift des Lektors.
Den verdienstvollen Abschluß des Buches bilden eine Bibliographie und ein Register, die in ihrer Ausführlichkeit nichts zu wünschen übriglassen. Dem Kenner, dem Anfänger und dem, der sich der Poesie des großen Dichters erst zu nähern anfängt, sei dieser Band wärmstens empfohlen.