König Artus lebt!
Eine Ringvorlesung des Mittelalterzentrums Bonn

Nein! Er ist tot! Nur die 'Erinnerung' an ihn lebt. Und nur ihr gelten denn auch die zwölf Beiträge des Bandes: Zu den Zeugnissen bis ins frühe 12. Jahrhundert (Stefan Zimmer); zum Gral als einer untrennbaren Verbindung eines heidnischen mit einem christlichen Symbol (Ursula Hendrichs); zu dem vielschichtigen, nicht mehr nur idealtypischen Artusbild Chrétiens de Troyes (Hans-Manfred Schuh); zum Narzißmus Gahmurets und Parzivals in Wolframs von Eschenbach Parzivalroman (Irmgard Gephart); zur Gattungsgeschichte des Artusromans, während der sich einerseits literarische Konventionen ausbildeten und verfestigten, andererseits ein spielerischer Umgang mit Gattungstypischem etablierte (Peter Kern); zu dem frühneuzeitlichen jiddischen Artushof-Epos 'Widuwilt', das, obwohl die Juden Mitteleuropas, die Aschkenasim, nicht zum elitären Zirkel der Ritter gehörten, trotzdem nicht überzeugend deutlich 'jüdisch gemacht' wurde (Klaus Cuno); zum mittelniederländischen 'Walewein ende Keye', zugleich ein wichtiger Beitrag zur oft verkannten Bedeutung und Eigenständigkeit der mittelniederländischen Artusliteratur überhaupt (Geert H. M. Claassens); zur Verankerung des ayyubidischen Sultans Saladin als 'Ritter' im vormodernen kulturellen Gedächtnis Europas (Stephan Conermann); zur Artusrezeption Englands in der Tudor- und Stuartzeit als integraler Bestandteil herrscherlicher Selbstrepräsentation (Uwe Baumann); zur sanften patriotischen Arthurrezeption Henry Purcells (Musik) anläßlich von dessen Arbeit an John Drydens Schauspieltext 'King Arthur' (Sebastian Klotz); zu Jacques Roubauds experimentellem Gral-Zyklus (1977-2003) (Ludger Scherer) und zu Robert Bressons Film 'Lancelot du Lac' (1974), der sich im Konzert der Historien- und Mittelalterfilme durch 'die Kunst der Aussparung und Selbstbeschränkung' (S. 355) auszeichnet (Franz-Josef Albersmeier).
Der Band selbst ist Patchwork, zusammengehalten durch die Artusmemoria. Fantasy, Phantastik ' Fehlanzeige. In einer Fußnote (S. 9) sogar offenbar eine handfeste Warnung davor. Die schönen Worte von der 'überbordenden Vitalität des Themas' und dessen 'unerschöpfliche[m] Facettenreichtum' (S. 8) helfen über die fehlende Einsicht in die 'Arbeit am Mythos' (Blumenberg), mag sie uns auch 'trivial' erscheinen, nicht hinweg. Deshalb ist der Band  kein 'schönes', sondern allenfalls ein eingeschränktes 'Beispiel dafür [...], wie gegenwärtig das Mittelalter in unserer angeblich so modernen Gegenwart nach wie vor ist' (S. 8). 'Gegenwärtig' ist nicht das Mittelalter, sondern allenfalls das erinnerte Mittelalter, eine bestimmte Form der Mittelalterlichkeit ('medievalism').
Meine etwas polemischen Bemerkungen richten sich natürlich nicht gegen die Beiträge selbst. Sie sind anregend und informativ, wenn sie auch, was sich ihrem Kontext 'Ringvorlesung' verdankt, sehr viel hinreichend Bekanntes allzu ausschweifend wiederholen.
Die Anwendung eines Trennprogramms und nochmaliges Korrekturlesen hätten dem Band wirklich gut getan.