Dieser Begleitband zur Ausstellung 'Les mangeurs de l'an 1000', vom Schweizer Musée de l'alimentation am Genfer See veranstaltet und im vorigen Jahr dann auch in Basel und Pariser Musée d'arts et traditions vorgeführt, verdient die Aufmerksamkeit aller auf geistige Genüsse Hungrigen, die sich für die Entwicklung unserer kulinarischen Kultur interessieren. Die knappen, mit wunderschönen farbigen Reproduktionen alter Quellenausschnitte geschmückten Beiträge umkreisen das damals wichtigste Problem - wie versorgten sich die Menschen mit den Mitteln, die sie zum täglichen Leben benötigten? Der Band läßt anhand archäologischer wie schriftlicher Zeugnisse erkennen, daß sich um die Zeit des ersten nachchristlichen Jahrtausends eine große strukturelle Wende vollzog: An die Stelle der bisherigen Mischung von extensiver Viehzucht, Acker-, Sammel- und Waldwirtschaft trat zunehmend mehr ein intensiver Getreideanbau mit langfristigen Folgen für Ernährung und Bevölkerungsvermehrung - Brot, Fladen, Breie sowie andere Mehlspeisen wurden nun bis zur zweiten Agrarrevolution im 18./19. Jahrhundert das freilich noch oft krisengefährdete einzige Rückgrat der Volksernährung. Lobend ist hervorzuheben, daß nicht, wie in populären Sachbüchern üblich, nur die Speisen anhand von Kochbüchern, sondern auch die agrarischen Produktionsbedingungen wie Klima, Bodenressourcen, Gerätetechnik, Siedlungsweise und soziale Formierung sowie darüber hinaus gesundheitliche, geschmackliche, kriegerische und religiöse Determinanten hier einbezogen werden. Die Blicke richten sich z.B. auf die Hungersnöte, aber auch auf das Leben unter steter Hungerbedrohung, auf die aus der Antike über die Araber überlieferten Vorstellungen über die menschlichen Körperfunktionen, die Rolle von Muttermilch für das Kind sowie auf die wegen der Schweigepflicht notwendige lautlose Zeichensprache der Mönche im Refektorium in Benediktinerklöstern: Mit 28 solcher Gebärden konnten so die wichtigsten klösterlichen Speisen benannt werden. Erwähnenswert erscheinen ferner die archäologischen Beweise für die Erwärmung und Abkühlung des Klimas, welche zum Vergleich mit der heutigen apokalyptischen Debatte auf den Umweltkonferenzen herangezogen werden müßten.
Den ausgestellten Objekten folgend, werden zwar vielfach regionale Schweizer Beispiele aus dem 10./11. Jahrhundert behandelt, doch machen sie Zusammenhänge transparent, die auch für übrige Teile besonders Zentraleuropas Geltung beanspruchen können.