Die Romantik
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Die Romantik ist heute (wieder) gefragt: Das Metropolitan Museum of Art in New York präsentierte im Februar 2025 die erste umfassende Ausstellung überhaupt zu Caspar David Friedrich in den Vereinigten Staaten von Amerika. Vier Jahre zuvor wurde in Frankfurt am Main das aufwendig gestaltete Deutsche Romantik-Museum eröffnet. Auch in der wissenschaftlichen Forschung jenseits der Germanistik ist die Romantik präsent, so etwa jüngst bei Andreas Reckwitz, der die Vertreter der Romantik aus soziologischer Perspektive als die „ersten moderne[n] Verlustbearbeiter“ apostrophiert hat.

Die Romantik ist also brandaktuell. Somit erscheint die Einführung von Stefan Matuschek just zur richtigen Zeit, um sich einen sachkundigen Überblick zu verschaffen und zugleich eine Antwort auf die Frage zu erhalten, worin die Gründe für die bleibende Relevanz dieser Epoche liegen. Schließlich war es um den Ruf der Romantik nachgerade in Deutschland spätestens nach 1945 lange Zeit nicht gut bestellt und um ihren Charakter ranken sich immer noch viele Mythen.

Der Jenaer Literaturwissenschaftler Matuschek räumt mit vielen Klischees wie etwa dem des antiaufklärerischen Impetus der Romantik auf, ohne dabei die ambivalenten Implikationen der Bewegung zu ignorieren. Er beschreibt die Romantik konsequent als ein „europäisches Phänomen“ (S. 11), obgleich sein Schwerpunkt auf den deutschsprachigen Vertreterinnen und Vertretern liegt. Zugleich stellt Matuschek heraus, dass die Jenaer Frühromantiker mitnichten die Erfinder oder Begründer der Romantik waren, sondern vielmehr „die Ersten, die der allgemeinen, revolutionären Veränderung der Literatur um 1800 die zündende Parole bescherten […]. Sie waren die Stichwort- und damit auch die Namengeber der Epoche, mit der die moderne Literatur begann.“ (S. 9).

Die revolutionären Veränderungen arbeitet der Autor klar heraus, wobei er das Phänomen der Kippfigur besonders häufig anführt. Aber nicht nur die Literatur, sondern auch die Literaturkritik erfuhr in der Romantik ein neues Gepräge: Der Rezensent wandelte sich vom Kunstrichter zum Genie der Kritik und veröffentlichte seine Besprechungen nicht länger anonym, sondern unter eigenem Namen. So zählt die Individualisierung zu den wichtigsten Konsequenzen des romantischen Literaturbegriffs, dem zugleich auch eine gesamtgesellschaftliche Agenda innewohnte. Denn die ursprüngliche Utopie des romantischen Projekts bestand in einer klassenlosen Gesellschaft, die auf literarischem Wege als Lesegesellschaft entstehen sollte. Matuschek fasst dieses (über)ambitionierte Unterfangen treffend zusammen, wenn er festhält: „Größer können Schriftsteller von sich und ihren Möglichkeiten nicht denken.“ (S. 26) Allerdings erfuhr dieser universalistisch-egalitäre Ansatz im Zuge der Befreiungskriege schon bald eine reaktionäre Verengung. Diese „nationale Wendung“ (S. 67) lässt sich exemplarisch an Friedrich Schlegel nachvollziehen, der 1812 in der von ihm herausgegebenen Zeitschrift „Deutsches Museum“ die Forderung erhob: „Jede Literatur muss und soll national sein; dies ist ihre Bestimmung und kann ihr allein erst ihren wahren und vollen Wert verleihen.“

Das damit einhergehende imaginierte Konzept der Nationalliteratur ist eine der langwierigsten Folgen der Romantik, die gerade in Deutschland und Italien bis heute – meist unbewusst – wirksam ist. Wie Matuschek betont, zeigt sich das nicht zuletzt an der sachlich unpassenden Bezeichnung „Germanistik“, die sprachwissenschaftlich eigentlich auch das Englische sowie die skandinavischen Sprachen umfassen und sich literaturwissenschaftlich zugleich auf das Hildebrandslied und die Merseburger Zaubersprüche begrenzen müsste. Tatsächlich waren die Gründer des neu entstehenden akademischen Fachs vor dem Hintergrund der militärischen Demütigung durch Napoleon jedoch bestrebt, die Wissenschaft von der deutschen Sprache und Literatur auf eigene autochthone Wurzeln zurückzuführen, wobei sie deren europäischen Abhängigkeiten und Verflechtungen geflissentlich ignorierten.

Verhältnismäßig kurz befasst sich Matuschek mit der romantischen Malerei, Musik, Philosophie und Naturwissenschaft, wobei es ihm dennoch gelingt, die wesentlichen Charakteristika und Neuerungen gut verständlich herauszuarbeiten. Auch auf die politische Instrumentalisierung der Romantik im 20. Jahrhundert geht der Verfasser schlaglichtartig ein, ohne sich dabei einer bestimmten Deutung anzuschließen. Vielmehr betont er, dass die Romantik selbst mit keiner spezifischen politischen Position verbunden war, sondern je nach Ort und Situation zwischen progressiven und regressiven Haltungen changierte. Spannend wäre an dieser Stelle eine weiterführende Einordnung der Romantikrezeption durch neurechte Akteure im 21. Jahrhundert gewesen. Ferner hätte die antijüdische Schlagseite bei der Konstruktion des „Deutschen“ in der Romantik, die u.a. Marco Puschner instruktiv beleuchtet hat, durchaus etwas ausführlicher dargestellt werden können.

Insgesamt weiß der Beck-Wissen-Band von Matuschek jedoch inhaltlich wie sprachlich zu überzeugen. Der Autor beschließt seine Ausführungen mit einer Zusammenstellung der bleibenden Neuerungen der Romantik, die die Moderne bis heute prägen. Dazu zählen u.a. die Ästhetisierung und Subjektivierung der Religion, das Fantastische, die Neue Mythologie, die strategische Offenheit durch Ironie und Fragment, der Vorrang des Prosaromans, die Individualisierung der Literaturkritik sowie die Anerkennung von Literatur und Kunst als eigenständige Instanzen der Weltdeutung, Sinnstiftung und Lebensorientierung. In ihren Einflüssen, Bezug- und Inanspruchnahmen ist die Romantik weiterhin wirksam und folgenreich, daher bedarf es einer anhaltenden Auseinandersetzung mit ihr.