Der Dreißigjährige Krieg in Südwestdeutschland. Quellen aus Oberschwaben, dem westlichen Allgäu, der Bodenseeregion mit dem Hegau und der nördlichen Schweiz, den fürstenbergischen Herrschaften und dem Herzogtum Württemberg 1618 bis 1632.
Mit Beiträgen von Gerhard Aßfahl, Hans-Günther Bäurer, Thomas Hölz, Hans-Martin Maurer, Daniel Oswald und zahlreicher Archivarinnen und Archivaren.

Die von Eberhard Fritz verantwortete Quellensammlung zum „Dreißigjährigen Krieg in Südwestdeutschland“ ergänzt die insgesamt gut bestellte Editionslandschaft zu diesem Thema auf etwas unkonventionelle Art und Weise. Der Leiter des Archivs des Hauses Württemberg in Altshausen hat einschlägiges Aktenmaterial aus 21 südwestdeutschen und schweizerischen Archiven zusammengetragen, deren Bestände zum Dreißigjährigen Krieg in vielen Fällen bislang kaum Beachtung gefunden haben (zumindest jenseits der lokalhistorischen Forschung). Das betrifft in erster Linie die Akten der elf aufgenommenen Stadtarchive sowie des einzigen vertretenen Adelsarchivs (das Fürstlich Fürstenbergische Archiv). Ebenso fristen aber auch die Sammlungen der Staatsarchive Schaffhausen und Zürich sowie der Kantonsbibliothek Aargau im Kontext des Dreißigjährigen Krieges in der Regel ein Schattendasein. Die in den einzelnen Archiven aufbewahrten Briefe, Ratsprotokolle, Ordonnanzen, Abrechnungen etc. werden von Fritz in Form inhaltlicher Zusammenfassungen unterschiedlicher Länge präsentiert, der Form nach in etwa vergleichbar mit der Edition der Documenta Bohemica Bellum Tricennale Illustrantia.

Neben eigenen Quellenexzerpten, die Fritz in den vergangenen 20 Jahren angefertigt hat (und die den Hauptteil des Bandes ausmachen), enthält die Sammlung auch die Notizen anderer Forscher, die als solche eigens ausgewiesen sind. Diese Form der Zusammenarbeit bzw. der Zurverfügungstellung eigenen Materials ist in der (Editions-)Wissenschaft bislang eher unüblich, erweist sich in diesem Fall inhaltlich aber als durchaus gewinnbringend. Zwar besitzt die Auswahl der Archive infolge dieser Vorgehensweise einen etwas willkürlichen Charakter, gleichwohl wird dadurch eine Vielzahl von interessanten Quellen zur ersten Hälfte des Dreißigjährigen Krieges im südwestdeutschen Raum für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zugänglich gemacht, die bislang nur durch aufwendige Recherchen auffindbar waren. Zur praktischen Nutzung des Bandes trägt der gemeinsame Personen- und Ortsindex maßgeblich bei, ein Sachverzeichnis ist hingegen leider nicht vorhanden.

Die recht knapp gehaltene Einleitung gibt alle notwendigen Hinweise zur Handhabung des Buches und führt auch auf, welches Quellenmaterial nicht gesichtet werden konnte. Wünschenswert gewesen wäre darüber hinaus eine differenzierte regionalgeschichtliche Einordnung in den Gesamtverlauf des Dreißigjährigen Krieges, um die vielen Schlaglichter der einzelnen Quellenzeugnisse präziser einordnen zu können. Doch auch ohne diesen Rahmen lassen sich aus der Lektüre des Bandes einige generelle Tendenzen ausmachen.

In der ersten Dekade des Krieges wird in den Quellen verhältnismäßig selten über gewalttätige Vorfälle berichtet, vielmehr dominieren eher technisch gehaltene Schilderungen von Truppendurchzügen, bei denen durchaus auch die Disziplinlosigkeiten der „Soldateska“ angeprangert werden, doch überwiegen Fragen zu deren Unterbringung und Bezahlung. Aus nachvollziehbaren Gründen bemühte sich jeder Ort und jedes Kloster nach Kräften, möglichst ungeschoren davonzukommen. Doch je näher das akute Kampfgeschehen rückte und je länger der Krieg andauerte, desto stärker spürbar wurden die Belastungen auch zwischen Stuttgart und dem Bodensee. Ab 1631 lässt sich eine deutliche Zunahme der Quellendichte in den Beständen der südwestdeutschen Archive beobachten, und in ihnen finden sich nun auch vermehrt Berichte über von Söldnern verübte Gewaltakte gegen die Zivilbevölkerung.

Dass das Verhältnis zwischen beiden Gruppen jedoch keineswegs nur von Gewalt auf der einen und Angst auf der anderen Seite geprägt war, wird in den präsentierten Quellen an vielen Beispielen deutlich. Einquartierte und durchziehende Soldaten versuchten regelmäßig, ihre Beute an lokale Händler, Marketenderinnen und Bauern zu verkaufen. Die Stadtoberen und die Zünfte intervenierten dagegen, da die oft unter Wert angebotene Ware die Preise zu verderben drohte (z.B. S. 80f., 149). Wie unerschrocken sich die Stadtbevölkerung bisweilen gegenüber den Soldaten verhielt, veranschaulicht eine kleine Episode, die im Ratsprotokoll von Konstanz festgehalten wurde (S. 199). Demnach hatte ein Soldat bei der Witwe Öderlin gezecht und sich eine Kanne ausgeliehen, die er kurz darauf verlor. Daraufhin nahm die Witwe ihm seinen Hut weg und verweigerte die Rückgabe, obwohl der Soldat ihr einen Reichstaler als Entschädigung für die verlorene Kanne anbot. Der Knecht der Witwe warf den Hut auf ein Dach und gab dem Soldaten eine Ohrfeige, was dieser zur Anzeige brachte. Schließlich wurde die Witwe zu einer Strafzahlung verurteilt, ihr Knecht erhielt eine Gefängnisstrafe.

In der Reichsstadt Lindau beschäftigten mehrere Fälle von Eheschließungen einheimischer Frauen mit einquartierten Soldaten den Rat der Stadt, der sich dafür aussprach, diese Frauen aus der Stadt auszuweisen. Neben diesen (mehr oder minder) einvernehmlichen Beziehungen kam es aber auch zu gewalttätigen Übergriffen durch einzelne Militärangehörige, was ein detaillierter Bericht über die Vergewaltigung einer Lindauerin durch einen Soldaten exemplarisch belegt (S. 203). Selbstredend waren die grundsätzlichen Kräfteverhältnisse zwischen Militär und Zivilbevölkerung in keiner Weise ausgeglichen, was weidlich bekannt ist. Dies wird in der Quellensammlung durch etliche Berichte von Plünderungen und Überfällen oder auch am Beispiel der Einäscherung Isnys (1631) fassbar.

Eine vollkommene Auflösung der Ordnung lässt sich jedoch nicht beobachten, vielmehr kann man ein beständiges Ringen um deren Aufrechterhaltung als eine Konstante in den Akten ausmachen. Immer wieder finden sich auch gerade in Zeiten der Not eindrückliche Beispiele für Hilfsbereitschaft und Solidarität. So beschloss die Stadt Leutkirch im September 1631, eine große Menge Brot sowie eine Schar von Handwerkern nach Isny zu schicken, nachdem die kleine Reichsstadt kurz zuvor von kaiserlichen Soldaten zunächst besetzt und anschließend niedergebrannt worden war. Neben der Erstversorgung mit Lebensmitteln und der Unterstützung beim Wiederaufbau sicherte der Leutkircher Rat weitere Hilfe für die Zukunft zu (S. 182). In Biberach a.d. Riß beschlossen die Stadtverordneten, die Armen beim Unterhalt der Soldaten zu unterstützen, da diese die notwendigen Ressourcen selbst nicht mehr aufbringen konnten (S. 484).

Gewünscht hätte man dem Buch ein gründlicheres Lektorat (neben einigen Rechtschreibfehlern stimmen die Seitenzahlen bei den Bildnachweisen nicht, Hinweise auf Formatierungsfehler wurden nicht entfernt) und eine etwas liebevollere Gestaltung. Typographisch ist das Werk im Stil einer studentischen Seminararbeit gehalten, was der dahinterstehenden inhaltlichen Leistung zwar ein wenig den Charme, nicht aber den Wert für die künftige Forschung zum Dreißigjährigen Krieg nimmt.