In dieser Studie untersucht Cordelia Heß mittelalterliche anti-jüdische Denkfiguren wie den Ahasverus-Mythos, den Judas-Mythos und die Substitutionstheologie, und ihr langes Nachleben im Schweden des 19. Jahrhunderts. Anti-jüdische Bilder waren dabei in Schweden schon bekannt und breit tradiert, als es im Land noch keine etablierte jüdische Minderheit gab. Heß stellt fest, dass im Laufe des Untersuchungszeitraumes zwar neue antisemitische Konzepte hinzukamen, zuvor schon vorhandene vorreformatorische altkirchliche Motive jedoch nicht aus dem Diskurs ausgeschieden wurden, sondern wiederholt reaktiviert wurden. Dies schuf im anti-jüdischen Diskurs Schwedens eine Gleichzeitigkeit von Vormoderne und Moderne. Die in den tradierten Narrativen bereits angelegten rassischen und essentialistischen Erzählweisen über die jüdische Minderheit wurden weitergegeben und angepasst (S. 56). Heß stellt dabei die weitgehende Stabilität des über die Juden geformten Bildes im Laufe des 19. Jahrhunderts fest (S. 132ff.). Auch wenn politische, konfessionelle und soziale Unterschiede zwischen den deutschen Ländern und Schweden bestanden, wirkte v.a. die Textproduktion in Preußen impulsgebend für Schweden. Einen Höhepunkt der antisemitischen Textproduktion in Schweden stellten die „Judenfehde“ von 1815 und der Konflikt um die Aufhebung des Judenreglements im Jahr 1838 dar. Konversionen von Jüdinnen und Juden zum Luthertum als Ausweg aus einer als Konflikt verstandenen Situation wurden wiederholt und im ganzen Zeitraum v.a. in fiktiven Texten thematisiert.
Der methodische Zugriff von Heß erfolgt mittels des „Archiv“-Konzepts: Narrative und Motive aus verschiedenen Zeitschichten werden in einem Zugriffsraum bewahrt und gleichsam als Wissensbestände ausgeformt; diese können situativ aktiviert und in den Diskurs eingespeist werden. Der hierfür untersuchte Quellenkorpus besteht aus 54 übersetzten Texten (zumeist aus dem Deutschen) und 102 originalen schwedischen Texten, welche im Laufe des 19. Jahrhunderts im Druck erschienen und im Titel Bezug zu Juden und Judentum tragen. Dieser Korpus wurde aus dem reichen Fundus der Königlichen Bibliothek in Stockholm geschöpft, wo seit 1661 alle in Schweden erschienenen Drucke hinterlegt werden müssen. Die Präsenz und Wirkung von fremdsprachigen anti-jüdischen Texten sind nicht Teil der Untersuchung. Hierbei wird von der Autorin auf das Fehlen von Übersetzungen aus dem Dänischen und Norwegischen als bemerkenswert verwiesen (S. 32f., 130f.); aufgrund der gegenseitigen Verstehbarkeit der Sprachen bestand allerdings nur eine sehr begrenzte Notwendigkeit für Übersetzungen. Der fehlenden Begrenzung des Diskurs- und Kommunikationsraumes ist mit der angewendeten Methode nicht beizukommen.
Die Gliederung des Stoffes ist nicht immer nachvollziehbar: Die wenigen pro-jüdischen Stimmen, die sich v.a. im Rahmen der politischen Publizistik zu Wort meldeten (hier besonders Erik Magnus Pontin), werden in jenem Großkapitel abgehandelt, das sich ansonsten mit der Belletristik beschäftigt. Überdies wird begrifflich der Untersuchungsraum „Schweden“ nicht genau gefasst, was auffällig ist, da selbiger innerhalb des Untersuchungszeitraumes einer massiven Grenzverschiebung unterworfen ist. Die (Nicht-)Einbeziehung des finnländischen Reichsteils bzw. nach 1809 der schwedischsprachigen Gesellschaft Finnlands in die Studie verbleibt undefiniert. Die Begrenzung des Untersuchungszeitraumes von 1800 bis 1900 bleibt unbegründet. Aufgrund der zeitlichen Nähe des Beginns des Zeitraumes zum zäsurhaften Erlass des Judenreglements von 1782 wirken die Eckdaten künstlich.
Neben einem Literaturverzeichnis enthält der Band auch ein Orts- und ein Namensverzeichnis. Zudem weist der Band zwei Anhänge auf: eine Auflistung der Debatten über jüdische Angelegenheiten auf den Reichstagen sowie eine detaillierte Auflistung des 156 Titel umfassenden Quellenkorpus.