Reformation und kalkulierte Medialität
Olaus Petri als Publizist der Reformation im schwedischen Reich. Beiträge zur historischen Theologie, Bd. 200

Die Studie ist eine werkbiographische Untersuchung des umfangreichen und wirkmächtigen Œuvre des schwedischen Reformators Olaus Petri (1493–1552). Sein theologisches, literarisches und historiographisches Schaffen wird im Spiegel der zeitgenössischen ereignisgeschichtlichen Vorgänge und Entwicklungen des schwedischen Königtums im zweiten Viertel des 16. Jahrhunderts analysiert. Dies findet seinen Ausdruck auch in der Gliederung des Bandes: Die Analyse der Werke und der ereignisgeschichtliche Kontext derselben werden chronologisch geordnet und in ihrer Verflochtenheit präsentiert – und nicht getrennt voneinander aufbereitet. Im Fokus steht die Kritik an der paradigmatischen Beschreibung der schwedischen Reformation als „Königsreformation“ (S. VIII, 10), d.h. als von der Obrigkeit gelenkte Fürstenreformation. Verbunden wird diese Fragestellung damit, die Zulässigkeit der Zuschreibung des Begriffs ‚Medienereignis‘ auf die reformatorischen Umwälzungen im Schwedischen Reich abzumessen. In der Untersuchung wird das Jahr 1536 als eine Zäsur gesehen, welche die Einführungsphase der Reformation von einer danach einsetzenden Konsolidierungsphase trennt.

Die hauptsächliche Rolle König Gustav Vasas wird von Hannah Kreß darin gesehen, Mitte der 1520er Jahre das reformatorische Know-how und das mediale Potenzial in der mit dem deutschen Kulturraum vernetzten Hafenstadt Stockholm konzentriert zu haben. Der König schuf mithin ein unebenes Spielfeld, das die Chancen der reformatorisch gesinnten Akteure auf die Durchsetzung ihrer Vorhaben gegenüber altgläubigen Kreisen verbesserte. Dem königlichen Sekretär und zeitweiligen Kanzler Olaus Petri attribuiert Kreß eine Rolle nahezu auf Augenhöhe mit dem König, denn es war Petri, dem die inhaltliche Ausgestaltung der Reformation im Schwedischen Reich mit seiner umfangreichen Textproduktion oblag. Zu einem guten Teil dienten Olaus Petri dabei theologische Schriften aus dem fränkischen Raum, und eben nicht von Martin Luther, als Vorlagen für sein eigenes Schaffen. Die von der königlichen Druckerei in Stockholm gedruckten Texte Olaus Petris boten durch ihre typographische Gestaltung einen Wiederkennungswert. An der Frage nach den königlichen Zugriffschancen auf die schwedische Kirche entzweiten sich Gustav Vasa und Olaus Petri jedoch Mitte der 1530er Jahre. Das allmähliche Hinausgleiten des Reformators aus der königlichen Gnade fand seinen Höhepunkt in dem als „Machtdemonstration“ (S. 342) bezeichneten Todesurteil gegen Petri im Januar 1540. Obschon begnadigt und weiterhin in königlichen Diensten stehend, erlangte er seine vorherige Führungsrolle nicht wieder. Die von ihm geschaffenen Werke wurden zwar auch nach 1540 neu aufgelegt, doch wurde der Reformator mittels des veränderten Druckbildes und des Fortlassens seines Namens unsichtbar gemacht.

Die in der Königlichen Bibliothek Stockholm und in der Universitätsbibliothek Uppsala bewahrten Druckwerke Olaus Petris bilden den Kernbestand des untersuchten Quellenkorpus dieser Studie. Hannah Kreß zeichnet in beeindruckender Detailfülle das literarische Wirken Olaus Petris nach und ordnet es in die politischen und kirchenpolitischen Zusammenhänge seiner Zeit ein. Allerdings bleibt die Bedrohungslage des frühen usurpatorischen Vasa-Königtums angesichts des entthronten Christians II. und seiner Anhängerschaft und die daraus sich ergebende Zweischneidigkeit des Tyrannen-Diskurses und des Widerstandsrechts für Gustav I. schwach beleuchtet. Bedingt durch die Gliederung springt der Fokus der Studie zwischen ereignisgeschichtlicher Darstellung und werkbiographischer Analyse oft hin und her, teils mehrfach innerhalb eines der chronologisch abgesteckten Kapitel. Der entworfene Horizont ist vor allem der traditionellen schwedischen Reichsgeschichte verhaftet, und die Verortung vollzieht sich weitgehend in einem nationalen Rahmen, ausgerichtet auf die Zentralinstitution des Königtums. Demgegenüber werden die engere städtische Stockholmer Lebenswelt des Reformators sowie der weitere Ostsee- und nordeuropäische Raum kaum ausgeleuchtet. 24 Abbildungen von Titelblättern, ein Übersichtsverzeichnis der Druckwerke Olaus Petris sowie ein Personen-, Orts- und Sachregister runden den Band ab. Hannah Kreß hat eine gut lesbare Dissertation zu diesem wirkmächtigen Reformator des Schwedischen Reiches vorgelegt, welche hoffentlich eine interessierte Leserschaft finden wird.