„Entjudung“ von Theologie und Kirche
Das Eisenacher „Institut zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben“ 1939–1945 (Christentum und Zeitgeschichte 6)

Der Band „‚Entjudung’ von Theologie und Kirche. Das Eisenacher ‚Institut zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben’ 1939–1945“ von Oliver Arnhold kann gleichsam als die Erweiterung und konzentrierte Pointierung seiner zweibändigen ausführlichen Darstellung „‚Entjudung’ – Kirche im Abgrund. Die Thüringer Kirchenbewegung Deutsche Christen 1928–1939 und das ‚Institut zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben’ 1939–1945“ (2010) gelten. Die Zusammengehörigkeit beider Bände zeigt sich nicht zuletzt daran, dass im vorliegenden Band im Wesentlichen auf Fußnoten verzichtet und für Quellennachweise in Klammern auf die ältere Arbeit verwiesen wird.

Inhaltlich stellt Arnhold hier in zwei Hauptkapiteln, die von einer Einleitung und einem ausblickhaften Schluss gerahmt werden, die Vorgeschichte sowie die geistigen und organisatorischen Grundlagen des Eisenacher „Entjudungsinstitutes“ sowie die vielgestaltige, eigentliche Institutsarbeit dar.

Das erste Hauptkapitel umfasst die Darstellung der Entstehung, Ausbreitung sowie Anpassung der Kirchenbewegung „Deutsche Christen“ an die politischen Gegebenheiten der zunehmend kirchen- und religionsfeindlichen Gegenwart und bildet den Ausgangspunkt einer Entwicklungslinie, die insbesondere in Person von Siegfried Leffler hin zur Gründung des Eisenacher Institutes führte (vgl. Kap. 2.1 und 2.2). Eine zweite, sich damit verschränkende Linie erkennt Arnhold in der nationalsozialistischen Umwandlung der Theologischen Fakultät der Universität Jena (vgl. Kap. 2.4), an der seit 1936 Walter Grundmann (1906–1976) tätig war und der neben Leffler und dank seiner NS-kompatiblen theologischen Arbeiten (vgl. Kap. 2.3) zu einem weiteren wesentlichen Protagonisten bei der Gründung des Institutes werden konnte. In der Bad Godesberger Erklärung (26. März 1939) traten beide Entwicklungslinien zusammen und führten zur offiziellen Verabschiedung eines Dokumentes (vgl. Kap. 2.5). Darin verliehen die Unterzeichnenden mit dem Ziel, christlichen Glauben sowie Kirche und nationalsozialistische Ideologie und Machtanspruch in Einklang zu bringen respektive erstere letzterem unterzuordnen und dienstbar zu machen, der Forderung nach einem „Entjudungsinstitut“ Ausdruck, das in Eisenach dann institutionelle Form gewann.

Der zweite Hauptteil führt zunächst anhand der Darstellung der Gründung, Satzung sowie Finanzierung und organisatorischen Umsetzung (vgl. Kap. 3.1 bis 3.3) die sowohl politische als auch kirchliche Verankerung des Institutes vor, um anschließend dessen Breitenwirksamkeit und die Popularisierung seiner Arbeit mithilfe der Institutspublikationen sowie spezifischen Arbeitsgruppen und -tagungen zu illustrieren (vgl. Kap. 3.4 und 3.5). Insbesondere der Veröffentlichung eines „entjudeten“ Neuen Testamentes (1940) sowie eines ebensolchen Gesangbuches (1941) und Katechismus’ (1941) – mitunter in einer Auflage von mehreren hunderttausend Exemplaren – kam dabei entscheidende Bedeutung zu, während die Arbeitstagungen vornehmlich für die wissenschaftliche Platzierung der Institutsarbeit, auch in internationaler Perspektive, genutzt wurden. Die religions- und christentumsfeindliche Einstellung von Teilen der NS-Eliten sowie die lange Dauer des Zweiten Weltkrieges erschwerten die Institutsarbeit und ließen sie sukzessive erlahmen, aber nicht zum Erliegen kommen.

Nach 1945 waren die ehemaligen Mitarbeitenden bestrebt, die betriebenen Forschungen zum Judentum als Versuch zu deklarieren, die Kirche vor einer vernichtenden Einflussnahme des Nationalsozialismus zu schützen, und in weiten Teilen die eigene Schuld zu verhehlen (vgl. Kap. 3.6). Abschließend und beispielhaft werden hier Versuche einer Umwandlung des Institutes sowie überblicksartig der weitere Werdegang einiger führender Mitarbeiter dargestellt (vgl. Kap. 3.7).

Der allenthalben gut lesbaren Darstellung kommt vornehmlich das Verdienst zu, die umfangreiche Darstellung „Kirche im Abgrund“ zu pointieren und in einen deutenden Zusammenhang zu bringen, der die Quellen nicht zu sehr für sich allein sprechen lässt. Weitere neue Quellen werden nicht ausgewertet. Die beiden aufgezeigten Entwicklungslinien hin zur Gründung des Eisenacher Institutes lassen die Netzwerke von beteiligten Personen deutlich werden, die in ihrer je eigenen Position fördernd wirkten, und geben dabei die enge und unangemessene Verschränkung von Christentum sowie (theologischer) Wissenschaft und Politik zu erkennen. Der Ausblick auf die Geschichte einzelner ehemaliger Mitarbeiter nach 1945 sowie Überlegungen zur Schuldfrage und zu Kontinuitäten der Institutsarbeit (vgl. S. 13) bleiben kurz und lösen die durch die Einleitung geweckte Erwartung nicht ganz ein. Dennoch werden hier wichtige Fragen nach individueller Anerkennung von Schuld, geistiger Mittäterschaft und dem (Nicht-)Umgang mit der Schuldfrage in institutionellen Kontexten aufgeworfen, die für weitere Auseinandersetzungen sehr lohnenswert erscheinen. Zur besseren (wissenschaftlichen) Nutzung und einem schnelleren Zugriff wären insbesondere ein (Personen-)Register sowie ausführlichere Fußnoten hilfreich gewesen, die die Inhalte für die Leserschaft vertieften und die Quellen präzisierten, ohne auf die beiden ausführlichen Bände Arnholds von 2010 zurückgreifen zu müssen.

Ergänzt wird der Band von zwanzig Abbildungen, einzelnen Hinweisen auf einschlägige Sekundärliteratur sowie einer tabellarischen Übersicht über die Arbeitsgliederung des Institutes.