Juden in Schweden 1685 bis 1838

Die Zielsetzung des Bandes ist es, die Etablierung jüdischer Gemeinden im Königreich Schweden auch außerhalb des schwedischen Sprachraumes bekannter zu machen. Vorwiegend untersucht Michael Busch in dieser Studie den Zeitraum zwischen den 1770er und den 1810er Jahren. Die „Judentaufen“ der Zeit seit den 1680er Jahren und der Weg zur Abschaffung des „Judenreglements“ 1838 werden lediglich in kürzeren Kapiteln skizziert. In der Darstellung dieser nicht fokalen Zeiträume folgt der Verfasser weitgehend dem Standardwerk zur Geschichte der Juden in Schweden von Hugo Valentin (1888–1963). Etwa zwei Drittel des Buches sind der Etablierung der jüdischen Gemeinden und der ersten Einwanderergeneration gewidmet. Für die Darstellung und Untersuchung dieses Hauptteils stützt sich Michael Busch auf die edierten Memoiren des „Pioniermigranten“ (S. 177) Aaron Isaac (1735–1817) und auf dessen nicht edierte Korrespondenz mit dem Bützower/Rostocker Orientalisten Oluf Gerhard Tychsen (1734–1815).

Die Untersuchung greift auf Erkenntnisse der historischen Migrationsforschung zurück und verortet sich in diesem Forschungsfeld. Die auf wenige, aber gut fassbare Akteure fokussierte Studie betrachtet die Migrationsabsichten und Wanderbewegungen eingebettet in die familiären Strukturen und Informationsnetze der Akteure. Die kleine Pioniergruppe um Aaron Isaac, den „Hauptprotagonisten“ (S. 72), eröffnete durch ihre Reise und ihren Einsatz für Niederlassungsrechte eine neue Migrationsmöglichkeit für weitere Auswanderungsbereite. Durch den Charakter dieser Kettenmigration, Remigrationen und Heiraten blieb die Gründungsgeneration mit der hauptsächlichen Herkunftsregion Mecklenburg verflochten.

Das materialtechnische Know-how des Steinschneiders Aaron Isaac, sein Rückhalt im mecklenburgischen Herkunftsland und sein schrittweises Vortasten auf der Leiter von Unterstützern und Ausstellern von Empfehlungsschreiben (so auch von Tychsen) ebneten den Weg von der Peripherie des Schwedischen Reiches, Schwedisch-Pommern, zu dessen Zentrum, Stockholm. Das in der Hauptstadt erfolgte Aushandeln von Rechten und Regeln für diese jüdischen Pioniermigranten in einem dezidiert lutherischen Reich wird detailliert dargelegt. Unterstützung erfuhr Aaron Isaac dabei von zentralen, mit Wirtschaftsfragen befassten Staatsmännern wie Carl Sparre und Johan Liljencrantz. Geregelt wurde die jüdische Ansiedlung schließlich in dem am preußischen Vorbild orientierten „Judenreglement“ König Gustavs III. von 1782. Die weitere Verankerung jüdischen Lebens in Schweden wird grundsätzlich chronologisch geordnet wiedergegeben. Hinsichtlich der Etablierung weiterer jüdischer Gemeinden außerhalb Stockholms, namentlich in Göteborg/Marstrand, Norrköping und Karlskrona wird die Darstellungsweise geographisch aufgefächert.

Das Jahrzehnt zwischen 1806 und 1815 wird als wesentliche Zäsur präsentiert: Auf den ersten Immigrationsstopp für Juden im Jahr 1806 folgte 1815 ein erneut verschärftes Einwanderungsrecht für Juden, was von der scharfen, publizistisch ausgetragenen „Judenfehde“ begleitet wurde. Die Behandlung jüdischer Einwanderung ist mithin auch eine Betrachtung antijüdischer Ressentiments: Für die Sattelzeit stellt der Verfasser eine Gleichzeitigkeit von antijüdischen Stereotypen alten Stils und von neuen völkischen, rassischen Anschauungen fest. Michael Busch nimmt in seiner Studie auch die Widerstände in den Blick, und wie sich die Gewichtungen im Lager der Gegner einer Einwanderung von Juden verschoben.

Eine Innensicht auf das sich etablierende Gemeindeleben bietet die Untersuchung nicht. Auch die alltägliche Interaktion zwischen den immigrierten Neuankömmlingen und der lutherischen Mehrheitsgesellschaft wird nicht beleuchtet. Der Fokus des Werks liegt auf den öffentlichen Meinungen und Positionen sowie auf dem staatlichen Handeln in Form von allgemeinen Regulierungen und gewährten Ausnahmen. Ein Orts- und Personenregister enthält der Band nicht.

Die Fallstudie zu jüdischen Pioniermigranten ist ein wichtiger Baustein für die Erforschung der engen Verflechtung des norddeutschen Raumes mit Nordeuropa anhand einer oftmals marginalisierten sozialen Gruppe. Zudem ist Michael Buschs Band ein überaus lesenswerter und gut lesbarer Beitrag zu Europas jüdischer Geschichte.