Propaganda
Medien und Öffentlichkeit in der NS-Diktatur

Es gibt sie noch, die gute alte Einzelforschung, jenseits all der ' oft auch Modewellen folgenden ' Förderschienen und der Forscherverbünde bzw. Cluster mit langen Anlaufphasen und bisweilen mehr suggerierter denn tatsächlicher Interdisziplinarität. Abseits der rastlosen Drittmitteljagd mit ihrer ganz speziellen Genese von Forschungsprojekten hat Bernd Sösemann mit Marius Lange und anderen Mitarbeitern seines Lehrstuhls ein beeindruckendes Grundlagenwerk zu einem zentralen Thema der NS-Geschichte erarbeitet.

In der Analyse und Forschung zum Nationalsozialismus hat die Propaganda von Beginn an eine zentrale Rolle gespielt, angefangen bei den Regimekritikern und -gegnern bis hin zu den Historikern, gleich welche Forschungsrichtung sie vertreten. Eine grundlegende und verlässliche Quellenedition aber fehlte bislang ' sie liegt erst mit diesem Werk vor. Mit jeweils einführenden Texten versehen breitet Sösemann eine thematisch und chronologisch geordnete Vielfalt an Dokumenten aus, angefangen bei den grundlegenden Gesetzen und Verordnungen zur öffentlichen Kommunikation, wobei er dankenswerterweise auch wichtige Gesetze aus der Zeit vor der NS-Zeit einbezieht, da die Nationalsozialisten das Rad nicht vollständig neu erfunden haben sondern darauf aufbauten. In einem zweiten Abschnitt geht es um die 'Formen und Themen öffentlicher Kommunikation', so zum Beispiel um den gerade in Krisenzeiten bemühten Hitler-Mythos, um die zahllosen Plaketten etwa des Winterhilfswerks und schließlich um die verschiedenen Medien, von den traditionellen Printmedien bis hin zu dem noch sehr jungen Fernsehen. Wer bereits nach verlässlichen Informationen über Zeitungen etwa recherchiert hat, weiß welch großer Nutzen und Verdienst in den hier dargebotenen Informationen zu den Auflagen etc. liegen. Eine wahre Fundgrube ist auch der dritte Teil, in dem sich der interessierte Leser oder Forscher in einer Spezialbibliografie verlieren kann, die ein vorzügliches Hilfsmittel darstellt. Abgerundet wird der Band durch mehrere Register (Medien, Sachregister, Institutionen, Orte, Personen), die praktisch keinen Wunsch offen lassen und einen schnellen Zugriff ermöglichen.

Bei einem solchen Unterfangen bleiben Leerstellen oder Ungereimtheiten nicht aus. Die wohl empfindlichste Lücke, von Sösemann im Vorwort offen angesprochen, stellt wohl die Dokumentation der Rezeption von Propaganda dar. Zwar haben sich Sösemann und seine Mitarbeiter darum bemüht, auch die Seite der Rezipienten zu berücksichtigen, umfassend und systematisch jedoch konnte dies nicht geschehen. Vor allem hier ist von der Forschung noch viel zu leisten, denn, wie Sösemann zu Recht betont, benötigt jede Propaganda, die erfolgreich sein will, Rezipienten, die auch bereit sind, ihr zu glauben. Eine systematische Bearbeitung dieses Themas aber hätte die Bände wohl überfrachtet oder ihr Erscheinen auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben.

Eine Vielzahl bereits in Auszügen oder nur dem Namen nach bekannten Dokumente, wie die Verordnung zum Schutze des deutschen Volkes (S. 95ff.) können nun hier in vollem Wortlaut gelesen und im Kontext weiterer einschlägiger Maßnahmen des Regimes interpretiert werden. Die Präsentation der einzelnen Quellen weist aber auch Mängel auf. Bei manchen Dokumenten ist überhaupt nicht klar, an wen sich das betreffende Rundschreiben gerichtet hat (z.B. Dok. Nr. 55) oder welche Behörde sich für einen Bericht verantwortlich zeichnet und an wen dieser gerichtet ist (z.B. Dok. 586). Den Nutzen des Werkes schmälern diese Mängel aber nur geringfügig. Es bleibt zu betonen, dass es Bernd Sösemann mit einer überschaubaren Zahl von Mitarbeitern gelungen ist, ein vorzügliches Grundlagenwerk und Hilfsmittel zu einem zentralen Thema der NS-Forschung vorzulegen.