Nationalsozialistische Konzentrationslager 1933-1945: Die Veränderung der Existenzbedingungen

Der nunmehr elfte Band der Reihe 'Geschichte der Konzentrationslager' im Metropol Verlag beschäftigt sich in einer Reihe von Beiträgen mit der Macht, Gewalt und den Existenzbedingungen in einzelnen Konzentrationslagern und bietet darüber hinaus in übergreifenden Aufsätzen eine Systematisierung sowie in einem zweiten Teil Überlegungen zu den Problemen der Darstellbarkeit und der Vermittlung der Bedingungen im Konzentrationslager. Ausgangspunkt ist dabei die Frage nach Wandel und Kontinuitäten von Gewalt und den extremen Arbeitsbedingungen, deren Ursachen wie Auswirkungen auf die Existenzbedingungen der Häftlinge, auch im Vergleich zu anderen Lagertypen.
Einzelstudien zu bestimmten Phasen oder Lagern gehen dieser und anderen Ausgangsfragen auf empirischer Basis nach. So kann Christoph Kopke zeigen, dass in den Konzentrationslagern der ersten Jahre 1933/34 Gewalt in vielfältiger Form ausgeübt wurde: Folter, sinnlose Arbeiten, Demütigungen, gezielte Tötungen, sexuelle Gewalt und andere mehr. Zugleich zeigt sich, dass diese im Vergleich zu späteren Phasen weniger anonym und öffentlicher ausgeübt wurde. In seinem Beitrag über die Entwicklung der Emslandlager arbeitet Habbo Knoch instruktiv den Einfluss wechselnder Zuständigkeiten auf die Existenzbedingungen der Häftlinge heraus. Der Wechsel der Aufsicht über diese Lager von Göring auf Himmler ging einher mit einem Austausch der Wachmannschaften und damit mit anderen Bedingungen für die Insassen. Andere Studien tragen zu einer Ausdifferenzierung des Bildes bei, indem sie die Bedeutung des Musterlagers Sachsenhausen untersuchen, die Situation in einzelnen Lagern wie Ravensbrück und Auschwitz analysieren oder die Auswirkungen der Untertageverlagerung wie im KZ Mittelbau-Dora.

In einem systematisierenden Aufsatz stellt Winfried Meyer die Vorteile eines verstärkten Blickes auf die Existenzbedingungen der Häftlinge heraus und verweist auf die Schwachstellen bisheriger Erklärungsansätze und Phasenmodelle, die beispielsweise meist die Zeit der Lagerevakuierungen und Todesmärsche nicht mehr umfassen und in aller Regel eine von-bis-Entwicklung und damit die Ablösung etwas Alten von etwas Neuem suggerieren, wohingegen er eine Kumulation von Funktionen und Faktoren am Werke sieht. Das unterstützt Hermann Kaienburg in seinem Resümee. Untersucht man die Existenzbedingungen der Häftlinge und nimmt dies als Grundlage einer Periodisierung, kommt man zu einer anderen Einteilung als in gängigen Phaseneinteilungen. Überdies zeigt eine solche Vorgehensweise ein sehr viel differenzierteres Bild, da so für verschiedene Lager durchaus auch abweichende Phasen feststellbar sind.

Der Band bietet eine vorzügliche Mischung aus sich wechselseitig bereichernden systematisierenden allgemeinen Beiträgen und empirischen Einzeluntersuchungen zu einzelnen Phänomenen und Lagern. Einmal mehr zeigt sich, dass die Erforschung des Nationalsozialismus allgemein und der Konzentrationslager speziell nicht an ihr Ende gekommen sind, sondern in vielen Bereichen noch Grundlagenarbeit zu leisten ist und auch ein frischer Blick neue Impulse geben kann. Beides vereinigt dieses Buch in sich.