Anne Frank ist die Ikone der globalen Erinnerung an den Holocaust, und das nicht erst seit einigen Jahren. Ihr Tagebuch wurde spätestens nach der, freilich ins Sentimentale verbogenen, Bühnenfassung Ende der fünfziger Jahre zum Bestseller der Holocaustliteratur schlechthin. Verfilmungen und Biographien folgten bald. Nun liegt auch ein Comic vor ' eine Mischung aus Comicadaption des Tagebuchs und einer graphischen Biographie. Inhaltlich geht es weit über das Tagebuch hinaus, indem auch die Geschichte der Familie Frank seit dem Ersten Weltkrieg und kurz das Leben Otto Franks nach der Befreiung erzählt werden. Den Kern des Bandes jedoch macht die Geschichte Annes und der Familie aus der Sicht Annes aus.
Unterbrochen wird die Familiengeschichte von 'Schlaglichtern' zu zentralen historischen Themen wie 'Deutschland im Ersten Weltkrieg', 'Die deutsche Wirtschaftskrise' oder 'Die Wannseekonferenz'. Hier betten die Autoren die Geschichte von Familie Frank in den größeren historischen Kontext ein, wobei sie sich ' wie auch sonst in der Darstellung ' an zahlreichen überlieferten Fotos orientieren und diese für den Comic adaptieren. Abgerundet wird der Band durch eine Zeittafel, in der in unterschiedlichen Farben zum einen die Geschichte der Franks und zum anderen die wichtigsten historischen Eckdaten zusammengefasst werden, illustriert durch historische Fotografien. Dies alles und die angefügte Liste empfohlener Bücher zur weiteren Lektüre unterstreicht den pädagogischen Anspruch, den die beiden Autoren wohl auch mit ihrem Buch verfolgen.
Offenkundig vertrauten aber weder Autoren noch Verlag ihrem eigenen Werk und der dokumentarischen 'Unterfütterung'. Sie hielten es für notwendig, sich ein 'Gütesiegel' von außen zu holen, 'autorisiert vom Anne Frank Haus'. Das zeugt letztlich davon, dass heute immer noch, immerhin gut zwanzig Jahre nach dem Erscheinen von Art Spiegelmans graphic novel 'Maus', selbst bei Comicautoren und einem ausgewiesenen Comic-Verlag das Misstrauen gegen eine Darstellung des Holocaust im Comic sehr tief sitzt. Davon unberührt bleibt die Frage, wer da was mit welchem Recht überhaupt autorisiert.
Dessen ungeachtet aber ist den Autoren ein berührender Comic gelungen, der Anne Frank und ihre Familie nicht im Stil des Theaterstücks bis zur Unkenntlichkeit weichzeichnet, sondern auch innere Konflikte und Widersprüchlichkeiten darstellt. Der Versuchung aber, die Nationalsozialisten nach den Klischees der fünfziger Jahre holzschnittartig als kantige Monster zu zeichnen, konnten sie nicht widerstehen.