Der Holocaust in Sprechblasen
Erinnerung im Comic

Nationalsozialismus und Holocaust in populären Medien sind längst keine Staunen erregende Einzelerscheinung. Seit etlichen Jahren schon vergeht kein Jahr, in dem nicht ein Dutzend oder weit mehr Krimis erscheinen, deren Plot in der NS-Diktatur angesiedelt ist oder sehr eng mit ihr verwoben ist, kaum anders ist der Befund bei Spielfilmen, Komödien, Thrillern, zahlreiche Romane und auch bei Comics. Entsprechend hat sich auch die Literaturwissenschaft der Erforschung der populären Holocaustliteratur angenommen. Einen Beitrag zu dieser Forschungsrichtung hat nun Marco Behringer mit seiner Arbeit über den 'Holocaust in Sprechblasen' geleistet, in der er einen breiten Bogen von den Anfängen der Superheldencomics in Amerika bis zu künstlerisch ambitionierten Veröffentlichungen der letzten Jahre spannt.
Der Menge der inzwischen vorliegenden Comics versucht Behringer Herr zu werden, indem er sie nach einem knappen Überblick über Comics und Geschichte grob in zwei, jeweils noch einmal unterteilte Kategorien einteilt: in fiktive und in authentische Erinnerung. Innerhalb der Kategorien behandelt er chronologisch ein Werk nach dem anderen. Bereits die Unterscheidung von fiktiver und authentischer Erinnerung ist jedoch hoch problematisch und wenig trennscharf. Eine weniger monoton Werk an Werk reihende Querschnittsuntersuchung ausgewählter Aspekte wäre nicht nur bedeutend lesbarer gewesen, sondern hätte wohl auch zu fruchtbareren Ergebnissen führen können.
Viel schwerer aber wiegt die Ausgangsfrage, die Behringer seiner Untersuchung zugrundelegt: 'Darf man das überhaupt?' (S. 9). Damit fällt Behringer um Jahre zurück, spielte diese Frage doch allenfalls noch Anfang der 90er Jahre kurzzeitig eine Rolle, als Art Spiegelmans Comic 'Maus' in Deutschland erschien und der Rowohlt Verlag es für notwendig befunden hatte, in einer Brochüre Antworten darauf zu finden. So falsch diese Frage, die ein unausgesprochenes 'Nein' schon fast in sich trägt, damals schon war, heute wäre sie noch fälscher, gäbe es diese Steigerungsmöglichkeit. In der Diskussion spielt diese Frage jedenfalls schon lange keine Rolle mehr. Behringers einziger Beleg für das Gegenteil ist ausgerechnet die 'Bild'-Zeitung.
Zwar bietet Behringer eine Fülle an Informationen auch zu weniger bekannten Comics, doch verleidet er dem Leser immer wieder die Lektüre, indem er ihm am Ende eines jeden Abschnitts sagt, was er wenige Zeilen weiter im nächsten lesen wird, indem er in Zitaten Schreibweisen der alten Rechtschreibung penetrant mit einem 'sic!' markiert. Ärgerlicher als das aber sind sachliche Fehler wie die Aussage, der Aufstand im Vernichtungslager Sobibor sei die einzige erfolgreiche Häftlingserhebung in einem Vernichtungslager gewesen, zumal der Aufstand in Treblinka lange Jahre der bekanntere von beiden war. Das Versprechen des Klappentextes, die Eignung von Comics für den Einsatz in der schulischen und außerschulischen Bildungsarbeit abzuwägen, löst Behringer leider nicht ein. Auf nur etwas mehr als zwei Seiten handelt er dieses Thema ab, indem er zwei Untersuchungen knapp und vor allem unkritisch referiert.
Zwar stimmt Behringer den Rezensenten am Ende noch versöhnlicher, da er Erhebungen darüber angestellt hat, ob es sich bei den Holocaust-Comics um Randerscheinungen handelt. Hier kann Behringer neues und interessantes Material über die Auflagen und verkauften Exemplare der Comics ausbreiten. An dem Gesamteindruck aber vermag das wenig zu ändern.