Wer von 'Universalisierung des Holocaust' und 'Globalisierung der Erinnerung' sprechen will, muss vergleichen oder tut dies zumindest implizit. Empirische Studien, die entsprechende Hypothesen überprüfen, sind jedoch bisher noch Mangelware. Mit ihrer Studie zur Repräsentation der Vergangenheit, hier der Besatzungszeit, in Belgien und den Niederlanden stellt sich Nina Burkhardt diesem Anspruch. Ihre 2007 in Gießen angenommene Dissertation erscheint hier in einer überarbeiteten Form, die teilweise noch die in den Jahren 2008 und 2009 publizierte Literatur aufnehmen konnte.
Burkhardt analysiert die Repräsentation der Vergangenheit anhand zweier Ereignisse, die von der Forschung als Wendepunkte in der Erinnerung an den Holocaust bezeichnet werden: der Eichmann-Prozess 1961 und der Auschwitz-Prozess 1964/1965. Ihre Studie beruht auf der minutiösen Auswertung der Presse-, Radio- und Fernsehberichterstattung auf niederländischer und belgischer Seite.
Schon in ihrer Einführung konstatiert die Autorin die sehr unterschiedliche Entwicklung der Auseinandersetzung mit der Besatzungszeit in den beiden betrachteten Ländern, die in den Niederlanden deutlich früher einsetzte als in Belgien, was sich sicherlich bis in die 1990er Jahre gerade auch auf den Umgang mit dem Holocaust auswirkte. Diese Feststellung zieht sich wie ein roter Faden durch das Buch. Die Erklärungen, die sie dafür anbietet, sind alle plausibel, ihre Gewichtung bzw. Darstellung vermag jedoch für den belgischen Fall nicht immer zu überzeugen. So bleibt der innerbelgische Kontext ' die stark zunehmenden Spannungen zwischen Flamen und Wallonen nach dem Kriegsende ' insgesamt zu unterbelichtet. Vor allem wirkt es sich hier jedoch nachteilig aus, dass sie keine französischsprachige Regionalzeitung in ihren Quellenkorpus aufgenommen hat, was bei der großen Fragmentierung gerade der frankophonen Presselandschaft viel versprechend gewesen wäre.
Trotz dieser Einwände überwiegen deutlich die Verdienste. Die Argumentation für den niederländischen Fall überzeugt durchgehend ' was auch an der hier viel besseren Literaturgrundlage liegt. Und vor allem: die Fragestellung Burkhardts ist spannend, stringent durchgehalten und deshalb erfolgreich. Deutlich wird, wie sehr der Eichmann-Prozess gerade in den Niederlanden als ein Motor für eine verstärkte Auseinandersetzung mit dem eigenen Tun während der Besatzungszeit wirkte, was sich auch in intellektuellen Debatten in und zwischen verschiedenen Zeitungen spiegelt. Interessant auch die Analysen der Selbstbeobachtung der Journalisten, die eben nicht nur bloße Prozessbeobachter waren. Der Auschwitz-Prozess wird demgegenüber vor allem als ein Gradmesser für die Bereitschaft der Deutschen betrachtet, sich ihrer Vergangenheit zu stellen.
Durchgehend analysiert Burkhardt die Verwendung von Bildern ' geschriebenen und gesendeten ' und auch dies ist sehr aufschlussreich, zumal sie auch die damit verbundenen theoretischen Probleme immer mit bedenkt.
Insgesamt wird also auch bei so eng verbundenen Nachbarländern, wie unterschiedlich die Geschwindigkeit beim Umgang mit dem Holocaust war. Dies würde bei einer Vergleichsstudie, die einen längeren Zeitraum betrachten würde, wohl noch konturierter dargestellt werden können. Eine solche Analyse wird auf Burkhardts lehrreichen Erkenntnissen aufbauen können.