Düsseldorf / Getto Litzmannstadt 1941

Ein Buch über Düsseldorfer Juden im Getto Lodz/Litzmannstadt? Muss man das lesen? Hat das Relevanz über den engen lokalgeschichtlichen Zusammenhang hinaus? Ist das nicht nur ein Produkt einer kommunalpolitischen Gedenkinitiative ' eine repräsentative Beigabe? Schon ein flüchtiges Blättern in dem opulenten Band widerlegt all die möglichen Befürchtungen, all die oft hinter vorgehaltener Hand geäußerten Herabsetzungen, denen sich solche Projekte immer wieder aus der ' meist universitären ' Fachwelt ausgesetzt sehen.
Ende Oktober 1941 deportierten die Nationalsozialisten aus der Region Düsseldorf 1.003 Menschen 'nach Osten' in das Großgetto Lodz/Litzmannstadt. Diese Deportation zeichnet die Publikation detailliert nach, angefangen von der Organisation vor Ort in Düsseldorf und Umgebung bis hin zu dem Leben und Sterben der Deportierten im Getto Lodz/Litzmannstadt, im Vernichtungslager Chlemno/Kulmhof, in Auschwitz oder anderswo. Dem Team um Angela Genger und Hildegard Jakobs ist es gelungen, diesen Menschen ein Gesicht und ihre Geschichte zu geben. Die Probleme der Neuankömmlinge in der ihnen absolut fremden Welt des Gettos, ihre Anpassungsleistungen, ihre Leiden werden anschaulich. Abgerundet wird der Band durch eine Reihe von Einzeldarstellungen, die nah an die Lebensgeschichten einzelner heranführen.
Dieses großformatige umfangreiche Buch ist weitaus mehr als eine lokalgeschichtlich motivierte Tiefenbohrung, mehr als eine Manifestation lobenswerter örtlicher Gedenkpolitik. Es ist ein gewichtiges Werk, das richtungweisend ist und dessen Beispiel Schule machen sollte. Es bietet einen fundierten Beitrag zur Geschichte der Juden in Düsseldorf, zu ihrer Verfolgungsgeschichte und zur Deportation der Juden aus Deutschland. Wichtige Aspekte der allgemeinen Entwicklungen und Politik werden hinuntergebrochen und in ihren Auswirkungen für die Betroffenen erzählt. Überdies bereichert es die Forschung zum Getto Lodz/Litzmannstadt in einer Art und Weise, die man bis vor gar nicht allzu langer Zeit noch für unmöglich gehalten hat. Gedenken, Erinnern und Forschung ' hier sind sie eine überaus fruchtbare Verbindung eingegangen, an der künftige Forschungen und Initiativen in diese Richtung nicht mehr vorbeikommen werden.
Das, was das großangelegte Editionsprojekt 'Verfolgung und Ermordung der Juden 1933-1945' für sich, freilich nicht ohne eine gewisse Berechtigung, in Anspruch nimmt, nämlich auch Schriftdenkmal zu sein ' das Düsseldorfer Projekt ist es im bestmöglichen Sinne. Es bleibt zu hoffen, dass künftige Initiativen den Mut und Ehrgeiz besitzen werden, diesem Vorbild zu folgen und dass mit diesem Buch der Grundstein für etwas gelegt worden ist, was womöglich einmal die 'Düsseldorfer Schule' genannt werden wird.