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In meinem fremden Land - WLA-Online - Wissenschaftlicher Literaturanzeiger
In meinem fremden Land
Gefängnistagebuch 1944

'Er versuchte ehrlich in seiner Art weiterzuschreiben, ohne sich in irgendwelche Nazipropaganda einzulassen oder 'mitzumachen'. (...) Auch falls er mehr und mehr zu Konzessionen gezwungen war, bleibt er ein ' keineswegs grosser oder bedeutender ' aber anständiger und oft übers Gewöhnliche hinaus begabter Schriftsteller.' So urteilte Carl Zuckmayer in seinem inzwischen berühmten 'Geheimreport' über Hans Falladas Zeit im Deutschland der NS-Diktatur. Seit kurzem nun können wir Falladas eigene Sicht auf diese Jahre nachlesen wie er sie im Herbst 1944 in einem Gefängnis für 'geisteskranke Kriminelle' heimlich niederschrieb. Inhaftiert worden war er, weil er betrunken im Streit einen Schuss auf seine geschiedene Frau abgab. In Haft schrieb er innerhalb von zwei Wochen Ende September/Anfang Oktober den nun edierten Erinnerungsbericht.
Die Editoren haben ganze Arbeit geleistet, standen sie doch vor besonderen Schwierigkeiten. Fallada hat nicht nur in mikroskopisch kleiner Schrift geschrieben, er hat auch den knappen Raum maximal ausgenutzt, indem er, am Ende des Papiers angekommen, die Blätter umdreht und zwischen den Zeilen des bereits Verfassten weiterschrieb und dies mehrfach wiederholte. Das diente zusätzlich der Absicherung, denn welcher Wärter konnte oder wollte schon derartige Aufzeichnungen kontrollieren. Ergänzt ist die Edition um einen kenntnisreichen, aber nicht ausufernden Kommentar, eine Chronologie sowie um ein Personen- und Werkregister.
Der Leser erhält durch den Text einen, gleichwohl begrenzten, Einblick in das Innenleben eines gebrochenen Mannes, der ' dem Suff ergeben ' privat gescheitert war und der trotz aller Regimeferne doch ein Kind seiner Zeit war. Antisemitische Einstellungen zum Beispiel waren Fallada keineswegs fremd (S. 89), doch bildeten die noch lange keine Brücke zu einer zumindest partiell positiveren Einstellung zum Regime oder gar zu einer Rechtfertigung des Judenmords, über den er, auch das zeigen die Aufzeichnungen, recht genau informiert war. Einmal mehr zeigt sich, dass sehr viel gewusst wurde ' ob dem Gehörten, das so unvorstellbar war, Glauben geschenkt wurde, hing womöglich stark von der generellen Einstellung der NS-Diktatur gegenüber ab. Interessant ist hier auch der Hinweis, dass Begriffe wie 'Reichskristallnacht', die vielen der Nachgeborenen als verharmlosend erscheinen, Begriffe der Zeit waren, die bezeugen, dass viele den inszenierten Charakter der Novemberpogrome 1938 erkannten und entsprechend etikettierten ' Fallada benutzt das Wort 'Reichsscherbentag'.
Falladas Aufzeichnungen sind vor allem aber eine Binnenperspektive dessen, was ' von vielen missbräuchlich für sich in Anspruch genommen ' gemeinhin als innere Emigration bezeichnet wird. Hier bietet sich dem Leser aber kein widerspruchsfreies Bild, man erfährt viel über notwendige Arrangements mit den Machthabern, einen tiefen Groll gegen die Emigranten oder bittere Vorwürfe und Abrechnungen mit (ehemaligen) Weggefährten. Schließlich geht Fallada auch mit sich selbst ins Gericht, mit seinem Opportunismus vor allem der ersten Jahre, schwankend zwischen Selbstmitleid, der Suche nach Entschuldigungen und Selbsthass.
'Nicht genügt zum Leben in schwersten Zeiten die innere Gewißheit, daß der böse Feind eines Tages sein Spiel verloren haben wird. Da wir jeden Tag für die laufenden kleinen Quälereien und Stiche des Alltags Kraft zum Ertragen haben müssen, muß es für uns etwas geben, was uns täglich diese neue Kraft gibt. Eine Gewißheit in der Ferne ist gut, aber eben fern.' (S. 263). Die Kraft, all das ' die Verzweiflung angesichts der Zeitumstände, sein privater Bankrott, die Ungewissheit über die Zukunft ' zu ertragen, findet Fallada in einer Flucht in die Träume, in denen er das private Glück wiedererstehen lässt, ungeschriebene Bücher weiterverfolgt etc.
Falladas Gefängnistagebuch berührt den Leser unmittelbar und ist wohl sein stärkster Text. Zuckmayers Diktum müsste nach Meinung des Rezensenten umformuliert werden: Ein bedeutender Schriftsteller war Fallada bereits durch seine vielgelesenen Romane, ein großer ist er erst durch das Gefängnistagebuch geworden.