Public History
Öffentliche Darstellungen des Nationalsozialismus jenseits der Geschichtswissenschaft

Zeitgeschichte, besonders Nationalsozialismus und Holocaust sind sehr präsent in allen Medien. Kaum ein Tag, an dem nicht in einer der größeren Zeitungen etwas zum Thema zu finden wäre, kaum ein Verlagsprogramm kommt ohne Neuerscheinungen hierzu aus und im Fernsehen sind die Themen ebenfalls prominent vertreten, zunehmend konzentriert an Jahres- oder Gedenktagen. Dies ist nicht erst seit Guido Knopp der Fall, sondern reicht sehr viel weiter zurück.
Spätestens seit den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts, als sich zahlreiche Geschichtswerkstätten und Schülerwettbewerbe des Themas annahmen, ist ihm ein fester Platz in der außeruniversitären Landschaft sicher. Immer wieder, das betonen die Herausgeber zu Recht, haben sich institutionell verankerte Forschung und öffentliche Darstellung, neudeutsch 'Public history', wechselseitig beeinflusst und durchdrungen. Sie waren und sind keine hermetisch voneinander abgeschotteten Sphären. In zentralen Feldern der Zeitgeschichtsforschung etwa kamen die Anstöße 'von außen': Bei der Alltagsgeschichte waren es die Geschichtswerkstätten und andere, bei der Erforschung des 'Euthanasie'-Mordprogramms oder der personellen Kontinuität nach 1945 war es Ernst Klee usw. Wurden in den Anfängen diese Anstöße von den etablierten Historiker ' eine gute Portion Neid wird hier auch eine Rolle gespielt haben ' abgebügelt, drängen sie seit längerem schon in das vorher den 'Außenseitern' vorbehaltene Feld. Sichtbarster Ausdruck dessen sind wohl die einschlägigen neuen Studiengänge, die zum Teil, wie in Berlin, auch unter dem Etikett 'Public History' installiert wurden.
Die Herausgeber des vorliegenden Bandes haben eine Reihe von Autorinnen und Autoren versammelt, die die verschiedenen Felder der Vergangenheitsrekonstruktion in der Öffentlichkeit und durch öffentliche Auseinandersetzungen skizzieren und analysieren. In meist instruktiven Aufsätzen entfaltet sich dem Leser ein breites Panorama der öffentlich vermittelten und verhandelten Geschichte. Das Themenspektrum reicht von TV-Dokumentationen, Prozessberichten im Radio, NS-Gedenkstätten, Verlage bis hin zur Literatur ' um nur einen Ausschnitt zu nennen.
Exemplarisch seien zwei gelungene Beiträge herausgegriffen: Jan Erik Schulte beschäftigt sich mit 'Journalismus und NS-Täterforschung', indem er vier Artikelserien in der Presse der fünfziger und sechziger Jahre unter die Lupe nimmt und die jeweils zeitgebundenen Darstellungsstrategien und mitunter auch Mythisierungen wie im Falle der 'Spiegel'-Serie über den Chef der Reichskriminalpolizei, Arthur Nebe, herausarbeitet. Besonders hervorzuheben ist, dass Schulte sich nicht auf eine inhaltliche Analyse der Texte beschränkt, sondern das Layout, Fotos, Leserbriefe und zwischengeschaltete Werbeanzeigen als Teil der Analyse berücksichtigt.
Olaf Blaschke befasst sich in seinem Beitrag mit der Rolle der Verleger und Lektoren oder genauer: Mit ihrem Einfluss darauf, was, wo und wie etwas publiziert wird und schließlich, ob es überhaupt veröffentlicht wird ' ein Umstand, darauf macht Blaschke aufmerksam, der die Diskurse ganz erheblich beeinflusst, meist ohne dass dies zur Sprache käme. Dieser unausgesprochene Stellenwert der Verleger und Lektoren stehe in einem krassen Missverhältnis zu dem Vertrauensvorschuss in ihre Auswahlkriterien, kann doch alleine der Publikationsort über die Art der Rezeption entscheiden, ohne dass damit über das Werk an sich etwas ausgesagt wäre, ganz zu schweigen von der Vielzahl der nicht publizierten Manuskripte.
Bösch und Goschler versammeln interessante Beiträge und wollen vor allem zu einer weiteren Beschäftigung mit dem Thema einladen, ohne den Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben oder einen Praxisleitfaden mit Berufsfeldern für Historikerinnen und Historiker anzustreben. Diesem Anspruch werden sie und ihre Co-Autoren vollauf gerecht.