Sicherlich, der 'Dialog der Religionen' scheint in einer sich zunehmend globalisierenden Welt eines der zentralen Projekte zu sein. Nicht zuletzt, weil durch die Geschichte hindurch Religionen Motor oder wenigstens Katalysator von politischen Prozessen bis hin zu Revolutionen oder deren Niederschlagungen gewesen sind. Inwiefern Philosophie einen Beitrag zu diesem Dialog, der doch wesentlich politischer Natur zu sein scheint, leisten könne, ist fraglich ' und genau diese Frage soll in der Summe der Beiträge des von Bidese, Fidora und Renner herausgegebenen Bandes zumindest ein Stück weit beantwortet werden.
Dabei unterteilen die Herausgeber die Beiträge im Vorwort (7f.) in vier Gruppen: Die erste Gruppe (Thomas M. Schmidt, Thomas Rentsch, Carlo Sini und Winfried Löffler) untersucht die 'Möglichkeiten und Grenzen der philosophischen Gotteslehre in Bezug auf das religiöse Bewusstsein' (ebd.), wobei der Beitrag von Thomas M. Schmidt ('Religiöses Bewusstsein und philosophischer Gottesbegriff',9 ' 27) der aus philosophischer Perspektive interessanteste ist. Denn Schmidt versucht weder, einen Gottesbeweis zu liefern (dies scheint Löfflers Anliegen zu sein, vgl. 68ff.), noch will er die Religion in der Tradition Wittgensteins gegen Kritik immunisieren, indem er unterstellt, genuin religiöse Aussagen ('Es ist ein Gott!') hätten keinen propositionalen Gehalt (so etwa Rentsch, vgl. 42). Stattdessen plädiert Schmidt dafür, unter Rückgriff auf Brandoms Inferentialismus die religiösen Behauptungen in ihren Ansprüchen ernst zu nehmen (20ff.). Ob die 'Übersetzung' vom 'Gott' des Gläubigen in das 'Unbedingte' des Philosophen um das Problem des Etikettenschwindels herumkommt (weiter das Wort Gott gebrauchen, obwohl man etwas anderes damit benennt, etwa keine Person mehr), bleibt allerdings offen. Diskutabel ist der Vorschlag allemal.
Die zweite Gruppe von Aufsätzen (Markus Enders, Hansjürgen Verweyen, Piero Coda und Vincenzo Vitiello) 'führen diese Überlegungen fort' (7). Zumindest dem Anspruch der Herausgeber nach, faktisch aber tritt der philosophischen Vernunft in allen Aufsätzen ein, mal mehr, mal weniger profiliertes theologisches Profil entgegen, das sogar im Extremfall bei Verweyen ('Unbedingtheitsansprüche monotheistischer Religionen vor dem Forum der Vernunft', 101 ' 119) in klassisch antiaufklärerischer Weise Ratzingers Argumente fortspinnt (Vgl. 105ff., wo auch Verweyen die Geschichte der Aufklärung ' wie Ratzinger in seiner Regensburger Vorlesung ' als Verfallsgeschichte kennzeichnet; im übrigen ist die Frage 'Was ist Aufklärung?' nicht von Kant gestellt, sondern lediglich von ihm beantwortet worden, vgl. 108). Anders als etwa Enders und Vitiello, die wenigstens Lösungsansätze anzubieten versuchen (Anselms ontologischen Gottesbegriff von Gott als dem 'Unübertrefflichen' bzw. die 'unsichtbare Kirche' als ebenso unsichtbares wie nebulöses Konstrukt einer Gemeinschaft der Nächstenliebe), verweist Verweyen lediglich auf eine seiner Monographien, in der er das Problem von westlicher 'civil religion' der 'Ära Busch [sic]' (110) und östlichem 'Fundamentalismus' angeblich löse. Wenigstens eine Skizze der Antwort wäre doch wohl möglich gewesen. Allen vier Aufsätzen ist gemein, dass sie, wenn überhaupt, dem Dialog der drei monotheistischen (abrahamitischen) Religionen dienen können ' im Falle Codas gilt nicht einmal das, da 'Eine Perspektive im Licht des gekreuzigten Christus' (119) wohl für Juden wie für Muslime wenig erhellend sein dürfe.
Die Engführung auf die monotheistischen Religionen bleibt auch in den Aufsätzen der dritten Gruppe (Yossef Schwartz, Massimo Campanini, Marcello Neri, Gianni Vattimo und Gabriel Motzkin) mit Ausnahme des letzten erhalten. Motzkin sucht den Unterschied zwischen dem antik-polytheistischen und dem monotheistischen Gottesbegriff verständlich zu machen, indem sie anhand des korrespondierenden Geschichtsbildes differenziert: Wo die menschliche Geschichte im antiken Sinne nur ein Abbild oder eine Folge der Göttergeschichte darstellt, wird sie im Monotheismus autonom, d.h. sie wird in Ernst zu nehmendem Sinne menschliche Geschichte. Gott erscheint dann nur noch als Befreier (im Ostererlebnis [sic]). Dass auch hier die Perspektive der christlichen Religion nicht verlassen wird ist allerdings im Hinblick auf das im Vorwort angekündigte Projekt 'interessant'. Da auch Yossef Schwartz (in direkter Bezugnahme auf Franz Rosenzweig und Joseph Ratzinger, vgl. 146f.), wie andere Autoren dieses Bandes, ein idealisiertes Mittelalter als Modell zur Rettung der Welt anpreist, wäre ' aus philosophischer Perspektive ' lediglich Gianni Vattimos Beitrag noch von Interesse. Wer allerdings dessen Schriften einmal zur Kenntnis genommen hat, wird wenig Neues entdecken und sich auch hier wieder fragen ' warum hält Vattimo überhaupt noch an 'Gott' fest und lässt ihn nicht, ein Heidegger-Wort abwandelt, einfach fahren (wie Rorty, den er ja positiv rezipiert).
Die vierte und letzte Gruppe von Beiträgen ist aus Sicht des Rezensenten nur für diejenigen von Interesse, die an einer mystisch-spekulativen Theologie christlicher Herkunft interessiert sind und Gott, wie die in den drei Beiträgen (von Silvano Zucal, Ermenegildo Bidese und Alexander Fidora) dargestellten Autoren, als 'Geheimnis' begreifen. Zwar ist einer dieser Autoren Philosoph (Derrida, vgl. den Aufsatz von Bidese, 251 - 267), aber dessen bisweilen naiv wirkende Bezugnahme auf Kierkegaard erscheint als philosophisch wenig tragfähig.
Insgesamt bleibt der Eindruck, dass lediglich die Beiträge der ersten Gruppe als Aufsätze zur 'philosophischen Gotteslehre' ernst zu nehmen sind. Darüber hinaus bleibt die im Untertitel implizit und im Vorwort explizit gestellte Frage nach dem 'Dialog der Religionen' offen, zumal sie ohnehin nur die monotheistischen Religionen zu betreffen scheint. Dass aber nicht unwesentliche Konflikte auch andere Religionen betreffen, wie sich paradigmatisch am Beispiel Indiens zeigen ließe, hinterlässt den faden Beigeschmack philosophisch-abgehobener Rede über 'die Welt'. Wollte man wenigstens den 'Dialog der abrahamitischen Religionen' in Gang bringen, so sollte man neben den deutlich negativen Islambildern von Schwartz und Neri wenigstens einen Vertreter dieser Glaubensgemeinschaft zum Dialog einladen ' dann wäre auch der ohnehin monologische Ton dieses Bandes u.U. zu vermeiden gewesen.
Bedenkt man zusätzlich, dass die Beiträge Löfflers und Rentschs als Kurzreferate anderweitig in extenso dargestellter Positionen und Argumente eingeführt werden, so bleibt im Grunde nur der Beitrag Schmidts als Grund, diesen Band genauer zu studieren. So sei er deutlich nur denjenigen Lesern nahegelegt, die ihre christliche Identität scheinphilosophisch aufpolieren möchten und noch Vorschläge zur Art und Weise, dies zu tun, suchen. Wer sich aber als Philosoph der Haltung der intellektuellen Rechtschaffenheit (Tugendhat) verpflichtet sieht, wird wenig Freude an ihm haben ' denn diese Haltung ist nur bei wenigen der Autoren auch nur im Ansatz enthalten.