Rückerstattung Ost
Der Umgang der DDR mit dem 'arisierten' Eigentum der Juden und die Rückerstattung im wiedervereinigten Deutschland

Kaum ein historisches Thema besitzt bis in die jüngsten Tage eine solche Aktualität und Brisanz wie die Wiedergutmachung von NS-Unrecht. Entschädigungsleistungen für erlittenes historisches Unrecht oder Forderungen danach sind spätestens seit Ende des Kalten Krieges nicht mehr auf die Opfer der NS-Diktatur beschränkt, sondern zu einem globalen Phänomen geworden. Das spiegelt sich auch in der Forschung wider, deren Fokus sich in den letzten Jahren von der Wiedergutmachung in der alten Bundesrepublik aus immer mehr erweitert hat.
Jan Philip Spannuth schließt mit seiner Freiburger Dissertation eine Lücke in der Forschungslandschaft, indem er sich dem Umgang der DDR mit der Rückerstattung zuwendet und den Bogen dabei von der Sowjetischen Besatzungszone bis in die Gegenwart schlägt.
Anders als die drei Westalliierten, und hier vornehmlich die Amerikaner, hatte die sowjetische Besatzungsmacht kein reges Interesse an Wiedergutmachungsfragen und forcierte dementsprechend keine Regelung in ihrem Gebiet. Für die Sowjetunion standen der Aufbau des Sozialismus, Demontagen zu ihren Gunsten und die Zahlungen von Reparationen im Vordergrund. Die Missachtung jüdischer Rückerstattungsansprüche setzte sich nach Gründung der DDR ungebrochen fort. Einzige Ausnahme waren die jüdischen Gemeinden, deren früheres Eigentum auf Grundlage eines Befehls der sowjetischen Besatzungsmacht von 1948 rückerstattet wurde. Juden kamen sonst nur in den Genuss von Fürsorgeleistungen für 'Opfer des Faschismus', um politischen Schaden zu vermeiden. Ursprünglich waren diese Leistungen ausschließlich für politisch Verfolgte gedacht, vornehmlich Kommunisten, aber auch Sozialdemokraten.
Einer Rückerstattung von Eigentum stand der Dogmatismus der Staats- und Parteiführung entgegen, die darin nur eine 'Stärkung des Privatkapitalismus' erblicken konnte und dabei auch manchen antisemitischen Stereotypen unterlag, die später, wie im gesamten 'Ostblock', in einen aggressiven Antizionismus gekleidet wurden. Gegenkräfte, die es in der SED auch gegeben hatte, drangen gegen diese übermächtige Sichtweise nicht durch, mussten sogar, wie das ehemalige Politbüro-Mitglied Paul Merker, manchmal Verfolgungen erleiden.
Diese Verweigerungshaltung hielt die DDR fast bis zum Ende ihrer Existenz durch, wenngleich sich Ende der achtziger Jahre aus außen- und wirtschaftspolitischen Erwägungen Aufweichungstendenzen bemerkbar machten. Erst der ersten und zugleich letzten frei gewählten Volkskammer und Regierung der DDR war es vorbehalten, eine Kehrtwende vorzunehmen, die wegen des rasanten Wiederveinigungsprozesses aber nicht mehr zur Geltung kam. Daher fanden Rückerstattungsansprüche in Ostdeutschland erst mit dem Einigungsvertrag Berücksichtigung.
Spannuth legt eine fundierte, durch aussagekräftige Fallbeispiele anschauliche Untersuchung mit hohem Aktualitätsbezug vor. Er kann sich dabei auf eine Fülle bislang nicht ausgewerteter Unterlagen stützen und leistet einen gewichtigen Beitrag zur Wiedergutmachungsforschung und zugleich zur DDR-Forschung.