Die Ermittler von Ludwigsburg
Deutschland und die Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen

Das fünfzigjährige Jubiläum einer Institution mit der sperrigen Bezeichnung 'Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen' in Ludwigsburg steht unmittelbar bevor. Aus diesem Anlass und begleitend zu der seit einiger Zeit dort installierten Dauerausstellung hat der Förderverein Zentrale Stelle e.V. einen Begleitband herausgebracht.
Kern des Buches ist ein ausführliches 'Kompendium zur Geschichte und Tätigkeit der Zentralen Stelle', das Andreas Kunz und Melanie Wehr von der Ludwigsburger Außenstelle des Bundesarchivs zusammengestellt haben. Sie schildern verständlich und auf knappem Raum die Schwierigkeiten und Möglichkeiten der Ludwigsburger Ermittlungsarbeit. Dabei konzentrieren sie sich exemplarisch auf das Ermittlungsverfahren gegen Karl Jäger, den Leiter des Einsatzkommandos 3 innerhalb der Einsatzgruppe A, die vorwiegend im Baltikum operierte. Leider fällt der Beitrag etwas zu positivistisch aus. Die vielfältigen praktischen Ermittlungshemmnisse, die sich aus dem größeren vergangenheitspolitischen und gesellschaftlichen Kontext ergaben, bleiben ebenso wie personelle Kontinuitäten in Justiz und Polizei weitgehend unberücksichtigt. Dies wird nur zum Teil durch den Beitrag von Heike Krösche über die öffentlichen Reaktionen auf die Gründung der Zentralen Stelle wieder wettgemacht.
Einen instruktiven Einblick in die praktische Ermittlungsarbeit und ihre vielfältigen Schwierigkeiten liefert ein Aufsatz des derzeitigen Leiters der Zentralen Stelle, Kurt Schrimm. Schrimm schildert anschaulich das äußerst langwierige Verfahren gegen Josef Schwammberger, der im besetzten Polen Kommandant verschiedener Zwangs- und Arbeitslager war. Schwammberger, der sich nach dem Krieg nach Südamerika abgesetzt hatte, konnte erst nach mehrjährigen Bemühungen Schrimms, der seinerzeit das Verfahren leitete, an die Bundesrepublik ausgeliefert und in Stuttgart vor Gericht gestellt werden.
Insgesamt richtet sich der Band an ein breites Publikum, auch an Schüler, und informiert auch über die derzeit in Ludwigsburg aktiven verschiedenen Institutionen: die Zentrale Stelle, das Bundesarchiv, die Forschungsstelle Ludwigsburg der Universität Stuttgart sowie den Förderverein und dessen Engagement in der Arbeit mit Schulen. Damit bildet das Buch den mittlerweile doch weitreichenden Konsens über den Erhalt und die Bedeutung der Zentralen Stelle als Ort der Dokumentation, der Forschung und der Bildung ab.
Eine umfassende Abhandlung über die noch zu schreibende Geschichte der Zentralen Stelle liefert das Buch jedoch nicht und will sie wohl auch nicht bieten. Gerade weil aber ein breites Zielpublikum in den Blick genommen wurde, ist es ärgerlich, dass mit dem Wiederabdruck von Peter Steinbachs Rede zum 40. Jahrestag der Gründung der Zentralen Stelle ein veralteter, zum Teil fehlerhafter und qua Entstehungsanlass idealisierender Text Eingang in das Buch gefunden hat.