Der Holocaust war auch ein Raubzug im großen Stil. Das war zwar nicht die Triebfeder, aber willkommener Nebeneffekt für den NS-Staat und seine Profiteure. Viel ist in den letzten Jahren schon zur 'Wiedergutmachung' nationalsozialistischen Unrechts geforscht worden, eine Reihe von Studien ist noch im Entstehen oder kurz vor dem Abschluss. Über die Rückerstattung des Eigentums der Juden in der Bundesrepublik war jedoch bislang wenig bekannt. Das ändert sich nun fundamental mit Jürgen Lillteichers Studie, die auf seiner 2002 in Freiburg angenommenen Dissertation beruht.
Lillteicher nimmt zweierlei in den Blick: zum einen den politischen Prozess, der zur Rückerstattung führte, diese begleitete und modifizierte; zum anderen die Rückerstattungspraxis und juristische Umsetzung. Zeitlich umfasst die Studie nicht nur die Gründerjahre der Bundesrepublik, sondern sie reicht bis in die Mitte der siebziger Jahre. Lillteicher scheut aber auch nicht davor zurück, aktuelle Bezüge herzustellen und die weiterhin bestehende Aktualität des Themas aufzugreifen.
Umfassend informiert Lillteicher über den Weg von alliierten Rückerstattungsmaßgaben zu gesetzlichen Regelungen in der Bundesrepublik. Immer wieder greift er Grenzfälle auf, lotet die Grauzonen der Restitution aus und hat die wichtigsten Akteure der Auseinandersetzungen um eine angemessene Restitutionsregelung und -praxis im Blick.
So bietet Lillteicher weit mehr als eine umfassende Monographie über die Rückerstattung ' allein das wäre schon ein großes Verdienst. Vielmehr gewährt er einen tiefen Einblick in die Mentalitätsgeschichte der Bundesrepublik. Diese manifestiert sich etwa im langen und schließlich erfolgreichen Kampf der Lobbygruppen um eine Entschädigung derjenigen, die jüdisches Eigentum rückerstatten mussten. 1969 schließlich verabschiedete der Bundestag ein entsprechendes Gesetz, dass die Profiteure des NS-Unrechts beinahe schadlos hielt.
Derartige Phänomene und eine langwierige, bisweilen kleinliche Prozedur der Rückerstattung lassen Lillteicher zu dem Schluss gelangen, dass die Rückerstattung zumindest bis Ende der sechziger Jahre keinesfalls als Teil eines Lernprozesses verstanden werden könne. Vielmehr wurde sie äußerst widerwillig umgesetzt und immer als Zwangsauflage der Alliierten verstanden, die jedoch, anders als etwa die Entnazifizierung, aus Rücksicht auf Reaktionen in der Welt nicht so schnell abgeschüttelt werden konnte.
Lillteichers Buch ist eine Pionierstudie erster Güte. Er hat ein wichtiges, bislang unerforschtes Thema umfassend bearbeitet. Bei der Darstellung der oft recht komplizierten Materie verliert der Autor den Leser nie aus dem Blick. Diesen führt er gekonnt durch die zahlreichen juristischen Feinheiten der Rückerstattung. Zudem schreibt er anschaulich. Immer wieder eingeschobene Zwischenfazits sorgen dafür, dass der Leser nicht auf der Strecke bleibt.