Menschenrechte

Es gibt Gegenstandsbereiche, die in der Literatur außergewöhnlich selten bedacht werden. Entsprechend einfach ist es, sich einen Überblick über den jeweiligen Diskussionsstand zu verschaffen. Ganz anders verhält es sich bei solchen Themen, die permanent im Blickpunkt stehen, an denen Politik und Wissenschaft sowie unterschiedliche Disziplinen gleichermaßen Interesse nehmen: hier nämlich gibt es in der Regel eine wahre Flut von Publikationen unterschiedlichster Art, die es dem Interessenten schwer macht, Orientierung, also eine seriöse und zuverlässige Übersicht und Einführung zu finden.
Was das Thema 'Menschenrechte' betrifft, hat nun Matthias Koenig mit seiner bei Campus erschienenen Einführung einen Band vorgelegt, der kurz und knapp alles Wesentliche zum Thema enthält und so die genannte Anforderung ohne Einschränkungen erfüllt: denn in dieser sozialwissenschaftlich angelegten Arbeit finden auch der historische Hintergrund, die philosophische Herkunft und die juristische Be- und Verarbeitung der Menschenrechte ihren Ort.
Nach einer systematischen Einleitung (Kap. 1) werden in einer historischen Übersicht (Kap. 2) zunächst die ideengeschichtlichen Wurzeln der Menschenrechte vorgestellt (16-26), bevor es um deren sozialgeschichtlichen Kontext geht (26-40). Abschließend wird das Verhältnis von Menschenrechten und Nationalstaat thematisiert (41-51), aus dem heraus die Notwendigkeit eines wahrhaft umfassenden Entwurfs und der tatsächlichen globalen Umsetzung der Menschenrechte entwickelt wird (Kap. 3, Menschenrechte in der Weltgesellschaft). Diesem Komplex, genauer: der Stellung und dem Stellenwert der Menschenrechte im modernen Völkerrecht und der internationalen Politik, ist dieses längste Kapitel des Buches gewidmet. Hier werden u.a. die wesentlichen Dokumente der Menschenrechtssicherung der Vereinten Nationen in ihrer Entstehung wie ihrem Gehalt vorgestellt und erläutert; ebenso werden hier unterschiedliche Dimensionen der Menschenrechtspolitik (z. B. das Handeln von Nichtregierungsorganisationen oder das spannungsvolle Verhältnis von multilateraler und bilateraler Menschenrechtspolitik) erörtert. Die daraus entstandenen sowie einige weitergehende Diskurse dokumentiert das nachfolgende Kapitel (4) in Hinsicht auf Gehalt, Begründbarkeit und Universalität ('interkulturelle Übersetzbarkeit', 133) der Menschenrechte, bevor Koenig schließlich einen kurzen Ausblick gibt, in dem die Ambivalenz der Menschenrechte als Spezialfall der Ambivalenz der Moderne (dem widersprüchlichen und konfliktreichen Verhältnis von Freiheit und Herrschaft) vorgestellt wird (vgl. 142-145).
Es ist dabei für Arbeiten wie die vorliegende charakteristisch, dass keiner der Diskurse ausführlich gewürdigt, keine Quelle intensiver diskutiert, keine politische Konstellation umfassend analysiert werden kann. Das macht aber nichts, im Gegenteil: denn einer Einleitung muss es darum gehen, möglichst umfassend zu orientieren, ohne dabei jedoch unstrukturierte Datenmengen über das Publikum zu verteilen. Dies gelingt Matthias Koenig ohne Abstriche; sein zudem gut lesbar verfasster Text informiert systematisch fundiert und enthält alles, was der geneigte Leser sei es zur grundständigen Information, sei es zur Orientierung für weitere Arbeiten benötigt.