Ingo Loose, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Humboldt-Universität in Berlin, bearbeitet ein weites Feld in seiner nunmehr veröffentlichten Dissertation. Er untersucht die Beteiligung deutscher Banken, Sparkassen und Genossenschaften an der Ausplünderung der polnischen und jüdischen Bevölkerung im gesamten besetzten Polen, sei es in den verschiedenen annektierten Territorien oder dem Generalgouvernement.
Dieses ehrgeizige Unterfangen hält einige Fallstricke bereit, die Loose aber nicht ins Stolpern bringen. Souverän operiert er mit den unterschiedlichen Typen der Besatzungspolitik und -verwaltung in den jeweiligen Gebieten. Er lässt den Leser nicht orientierungslos mit dem Ämterchaos und den Divergenzen der einzelnen Besatzungsgebiete alleine, sondern bietet einen guten Überblick über die Grundzüge der jeweiligen deutschen Besatzungspolitik, neben umfangreichen Archivstudien gestützt auf einem breiten Spektrum vor allem deutscher und polnischer Forschung. Bei seinem eigentlichen Thema aber betritt er weitgehend Neuland. In der westlichen Forschung blieb es bislang meist unbeachtet, in der polnischen Historiographie beleuchten kürzere Arbeiten lediglich Teilaspekte des umfangreichen Themas.
Alle Schritte der Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden waren stets mit deren Ausplünderung verbunden. Deutsche Banken versuchten, zunächst im Deutschen Reich, sich einen Anteil daran zu sichern, wie zahlreiche Studien etwa zur 'Arisierung' in den letzten Jahren gezeigt haben. Groß waren daher die Erwartungen der Banken, als sie 1939/40 ''gen Osten' zogen. Die Gewinne aber blieben, zu dem Ergebnis kommt Loose, weit hinter den hochgeschraubten Erwartungen zurück und blieben in den Bilanzen der Kreditinstitute beinahe vernachlässigenswert.
Minutiös zeichnet Loose das System der deutschen Kreditwirtschaft in den besetzten polnischen Gebieten nach und legt ihre Involvierung in die Besatzungspolitik offen: ihre enge Zusammenarbeit mit den Behörden bei der Enteignung von Polen und Juden, ihre Beteiligung an der Finanzierung der Ghettos, der umfassenden Siedlungs- und Deportationspolitik und natürlich der Rüstungsindustrie.
Die deutschen Banken folgten dabei nicht, wie nach dem Krieg auch in Unternehmensgeschichten gerne behauptet, nur widerwillig den Vorgaben des Regimes und unterlagen engen Befehlen. Sie verfügten durchaus über Handlungsspielräume und nutzten diese auch. Die zeitgenössisch und nachträglich betriebene Rationalisierung der eigenen Beteiligung und Teilhabe an den Massenverbrechen als ökonomisch erforderlich, unpolitisch und aus einer betriebswirtschaftlichen Binnenperspektive korrekt dekonstruiert Loose auf einer beeindruckend breiten empirischen Basis.
Loose schließt mit seiner fundierten Arbeit eine bislang klaffende Forschungslücke. Da er sich nicht wie viele bestellte Unternehmensgeschichten auf nur eine Bank konzentriert, kommt er zu weitergehenden Erkenntnissen bezüglich der Involvierung deutscher Banken in die Besatzungsverbrechen in ganz Polen.