Nachrichten aus Berlin 1933-36

Kurz nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten schickte die polnische Zeitschrift 'Literarische Nachrichten' ihren Autor Antoni Graf Sobański nach Deutschland, um zuverlässige Berichte über die Entwicklung in Polens wichtigstem Nachbarland zu erhalten. Sie konnte kaum einen besseren für diese Aufgabe finden, das zeigen die erstmals auf Deutsch veröffentlichten Artikel Sobańskis.
Sobański kannte Deutschland bereits aus zahlreichen früheren Aufenthalten und zählte viele Deutsche zu seinen Freunden. Daher nahm er die vielen großen und vor allem auch kleinen Veränderungen genau wahr, die sich in rasantem Tempo nach Hitlers Machtantritt vollzogen. Aufmerksam beobachtete er die Uniformierung der Gesellschaft, die Ausschaltung der Opposition, vorauseilenden Gehorsam, Einschüchterung und Angst. In all dem vermochte er weitsichtig keine nur vorübergehende Erscheinung sehen, vielmehr sah er eine langfristig wirksame Entwicklung am Werke.
Bei späteren Aufenthalten in Deutschland 1934 und 1936 sah er seine früheren Einschätzungen bestätigt. Nach wie vor lag die kulturelle Ödnis bleiern schwer über dem Land, das, so Sobański, in Provinzialität versank. Mit besonderem Interesse beobachtete er die großen Propagandaaktionen des Regimes und ihre Wirkung auf die Bevölkerung. Deren Zustimmung und ekstatische Hitler-Begeisterung registrierte er mit zunehmender Befremdnis. Vor allem seine Reportage vom Nürnberger Parteitag 1936 führt dies eindringlich vor Augen. Dort wohnte er auch einer Pressekonferenz des berüchtigten fränkischen Gauleiters und 'Stürmer'-Herausgebers Julius Streicher bei, der offen von der Lösung der 'Judenfrage' 'auf blutigem Wege' schwadronierte.
Nach dem deutschen Überfall auf Polen floh Sobański auf Umwegen nach Großbritannien. Dort arbeitete er für das Informationsministerium der polnischen Exilregierung und für die BBC, bevor er schon 1941 starb.
Leider ist die Edition von Sobańskis Berichten nicht frei von Mängeln, die leicht hätten vermieden werden können. So wurde darauf verzichtet, das genaue ursprüngliche Veröffentlichungsdatum der Texte anzugeben. Wegen der hohen Ereignisdichte gerade 1933 wäre das aber durchaus interessant gewesen. Die Kommentierung des Textes erscheint stellenweise willkürlich: Während einige von Sobański namentlich genannte Personen wie Karl Liebknecht in Fußnoten erläutert werden, fehlt bei anderen (Jakob und Oskar Wassermann, Max Reinhardt u.a.) jede Erklärung, ohne dass ein Grund erkennbar ist.
Trotz dieser Mängel eröffnet die Lektüre der Berichte tiefe Einblicke in Entwicklungen und Mechanismen des NS-Regimes in der Frühphase und in die Veränderungen in der deutschen Gesellschaft unter dem Nationalsozialismus.