Nikolaos von Damaskos war einer der interessantesten Intellektuellen des Späthellenismus. Er war enger Berater König Herodes' des Großen, war in dessen Auftrag am Hofe Kleopatras VII. in Alexandria, stand später in enger Verbindung zu Augustus und war ein fruchtbarer philosophischer und historischer Schriftsteller. Unter seinen Werken befanden sich eine umfangreiche Universalgeschichte sowie eine Biographie des Augustus. Unglücklicherweise sind alle Werke nur in Fragmenten erhalten, aber Malitz' hier zu besprechende Ausgabe der Augustusbiographie zeigt, wie überaus aufschlußreich und interessant die erhaltenen Passagen immer noch sind. Sie behandeln die Jugend des späteren Kaisers, damit auch die letzten beiden Jahrzehnte der römischen Republik, die Herrschaft Caesars, dessen Ermordung und den Beginn des Bürgerkrieges, an dessen Ende die Alleinherrschaft des Augustus stand. Selbstverständlich preisen sie Augustus ' damals noch Oktavian ', aber sie sind in vielen Einzelheiten so detailliert und nicht blind parteiisch, daß sie eine sehr willkommene Quelle für diese Zeit darstellen; schade, daß nicht hinreichend festzustellen ist, welches ihre eigenen Quellen waren. Oder ein Beispiel dafür, wie scheinbare Kritiklosigkeit doch Zutreffendes ausdrücken kann Wenn Nikolaos in Abschnitt XX 67 Caesar in Schutz nehmen will und sagt, er sei 'arglos' und 'wegen seiner auswärtigen Feldzüge unerfahren in politischen Winkelzügen' gewesen, darin soll das natürlich eine reichlich naive Entlastung Caesars sein, drückt aber auch die Tatsache zutreffend aus, daß Caesar nach acht Jahren gallischen Krieges in Folge nicht die Winkelzüge (politike techne), sondern ganz einfach die Politik verlernt hatte.
Die Ausgabe von Jürgen Malitz ist außerordentlich verdienstvoll, nicht nur deswegen, weil sie dieses Werk damit dem akademischen Unterricht und vielleicht einem etwas weiteren Publikum, gewiß aber auch der Wissenschaft erschließt. Sie besteht aus einer knappen Einleitung, dem ' nicht kritischen; gelegentliche Hinweise im Kommentar ' Text, einer flüssigen und sachgerechten Übersetzung und einem mit Augenmaß verfaßten Kommentar, dessen Vorzug es unter anderem ist, daß Malitz regelmäßig die entsprechenden Passagen Suetons und des Velleius Paterculus heranzieht und natürlich auch auf die verlorene Autobiographie des Augustus selbst Bezug nimmt. Die von römischer pietas zeugende Widmung an Walter Schmitthenner erweist diesem großen Gelehrten die ihm zukommende Reverenz.
Auch an einem sehr guten Werk wird immer einiges kritisch gesehen werden, manchmal durch aus subjektiv. Hier einige Beispiele, die lediglich von aufmerksamer Lektüre zeugen sollen. Cicero als 'eitel' zu bezeichnen (S. 183) verfehlt dessen komplexe Persönlichkeit. ' Angemessen ausführlich wird die Biographie Dolabellas gegeben (S. 180f), aber rätselhafterweise verschwiegen, daß er der Schwiegersohn Ciceros war ' Caesar hat ihn gewiß 'sehr gemocht' (S. 181), aber das tat eben auch Cicero, selbst nach der Scheidung von seiner Tochter Tullia. ' Der Sohn Kleopatras und Caesars wird dann richtig mit dem Namen genannt, mit dem ihn Nikolaos bezeichnet, Kaisarion, wenn es um die Ausdrucksweise des Nikolaos geht. Das aber war eine Art Spitzname, und daher hätte Malitz, wenn er selber spricht, den wirklichen Namen Ptolemaios Kaisar verwenden sollen. Er 'dürfte' nicht 'etwa Anfang Juli 47 v.Chr. zur Welt gekommen sein' (S. 149), sondern er wurde am 23. Juni 47 geboren (Stele Louvre 335). Auch ist er nicht 'hingerichtet' (S. 150), sondern von Oktavian schlicht umgebracht worden.