Es handelt sich um das Standardwerk zum Verständnis des Arbeitsrechts der evangelischen und katholischen Kirchen in Deutschland. Wer sich dafür wissenschaftlich interessiert, kommt ohne Richardis Buch nicht aus, und auch für Fragen der täglichen Praxis liefert es wichtige Erkenntnisse. Um die praktische Relevanz zu kennzeichnen, geben die Vorworte des Buches die Mitteilung, daß die Kirchen der zweitgrößte Arbeitgeber in Deutschland seien. Denn das kirchliche Arbeitsrecht gilt nicht nur für die Arbeitnehmer der Kirchenverwaltungen, sondern gemäß der von Richardi mit der ersten Auflage des Buches mit wissenschaftlicher Vertiefung versehenen Auffassung auch für die Einrichtungen der Caritas und der Diakonie, welche zwei Drittel aller abhängig Beschäftigten der freien Wohlfahrtspflege beschäftigen.
Die arbeitsrechtliche Regelungsautonomie wird von Richardi als Bestandteil des verfassungsrechtlich geschützten kirchlichen Selbstbestimmungsrechts herausgearbeitet. Dieses erschöpfe sich nicht in der jedermann offenstehenden Möglichkeit, Arbeitsverträge abzuschließen, sondern umfasse die Befugnis, ihnen einen religiös geprägten Inhalt zu geben. Der Staat darf nicht über ein für alle geltendes Gesetz, wie es die arbeitsrechtlichen Gesetze darstellen, die religiös geprägte Eigenart des kirchlichen Dienstes negieren.
So kommt es dazu, daß Arbeitnehmer von Einrichtungen, welche von kirchlichen Verbänden oder Stiftungen betrieben werden, in ihrer privaten Lebensgestaltung in einer Weise an christliche Normen gebunden werden können, wie dies bei anderen Arbeitgebern ausgeschlossen wäre. Die kirchliche Regelungsautonomie kommt für alle Einrichtungen zum Tragen, welche nach dem Selbstverständnis der Kirche dazu dienen, ihren Sendungsauftrag zu erfüllen, also für eine Vielzahl karitativer und auch mancher publizistischer Unternehmen.
Daß in die private Lebensführung hineinreichende Loyalitätspflichten der betroffenen Arbeitnehmer, wenn sie nicht unmittelbar im Rahmen ihres Arbeitsvertrags einen kirchlichen Verkündigungsauftrag erfüllen, keine Selbstverständlichkeit sind, läßt sich schon daran erkennen, daß das Bundesarbeitsgericht erst durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts veranlaßt werden konnte, die arbeitsrechtliche Regelungsautonomie in der von Richardi vertretenen Weise zu akzeptieren.
Umstritten ist auch, inwieweit kircheninterne arbeitsrechtliche Normen den Normen in Tarifverträgen gleichzustellen sind. Dies wird relevant bei der Anwendung arbeitsschutzrechtlicher Gesetze, in welchen für die Arbeitnehmer benachteiligende Modifizierungen vom Gesetzgeber dann zugelassen werden, wenn diese Modifizierungen in Tarifverträgen geregelt sind. Richardi hält es für verfassungsrechtlich geboten, daß der Gesetzgeber kircheninterne Normen wie tarifvertragliche akzeptiert, und zwar auch für privatrechtlich verselbständigte Einrichtungen der Kirchen. Praktische Bedeutung kommt dieser Frage auch zu bei der Klärung der anzuwendenden Regelungen bei Betriebsübergängen: Ziel der gesetzlichen Regelungen ist es, beim Betriebsübergang den betroffenen Arbeitnehmern einen gewissen Bestandsschutz zu geben; nur wenn beim neuen Betriebsinhaber eine kollektivrechtliche Regelung wie ein Tarifvertrag gilt, ist dieser Bestandsschutz unter Umständen deutlich geschmälert.
Während ansonsten die durchgängig in vorbildlicher Klarheit dargestellten Auffassungen des Buches mit überzeugenden Argumenten vertreten werden, ist dies bei der angeblich verfassungsrechtlich gebotenen Gleichsetzung tarifautonomer Normen mit internen kirchlichen Regelungen nicht der Fall; es ist nach Meinung des Rezensenten unübersehbar, daß allenfalls dann, wenn eine paritätisch mit Arbeitnehmervertretern besetzte Arbeitsrechtliche Kommission oder Bistums-Kommission die Regelung erlassen hat, sie die gleiche Legitimierung haben könnte wie eine mit einer Gewerkschaft ausgehandelte Regelung, aber jedenfalls nicht dann, wenn die Kompetenz zu einer abschließenden Entscheidung dem Bischof oder der Synode zugewiesen wird. Die wesentlichen Argumente Richardis lauten: 'Die bloße Möglichkeit des Letztentscheidungsrechts reicht nicht aus, um zu dem Ergebnis zu kommen, daß die Regelung nicht dem Paritätserfordernis entspricht.' (Dabei schwächt doch schon diese bloße Möglichkeit die Verhandlungsmacht der Arbeitnehmerseite.) Und der letztentscheidende Bischof könne nicht einfach als Arbeitgeber verstanden werden; geschehe 'dies dennoch, weil der Staat unterstellt, daß der Bischof seine Kompetenz ausübt, um Arbeitgeberinteressen durchzusetzen, so liegt darin eine Verletzung der Verfassungsgarantie des Selbstbestimmungsrechts' der Kirche. Überzeugen kann auch dies nicht: Wie kann es eine verfassungswidrige Unterstellung sein, daß jemand, der - nicht nur, aber auch - Arbeitgeberkompetenz hat, diese auch ausübt?