Hinweis auf das Ewige
Hinter Bilder des Corpus Christi steht die fundamentale theologische Überzeugung, daß die konsekrierte Hostie des Altarsakraments den wahrhaftigen Leib Christi in sich birgt, basierend auf dem Dogma von der Transsubstantiation. „Die Verschmelzung und Überblendung von Bild und Altarsakrament ist das Thema dieses Buches“ (S. 12). Dem Bild ist folglich eigen, Medium der Vermittlung dieses Glaubensinhaltes zu sein. Dazu gehört auch der Sakramentskult in seiner Beziehung zum Bild.
Ausgangspunkt für die vorliegende Dissertation von 1999 ist der Genter Altar des Jan van Eyck, der in seiner inneren Schauseite eine konkrete Verbindung zwischen der gemalten liturgischen Verehrung des erhöhten Christus als Lamm auf dem Altar zur täglichen Eucharistiefeier auf der Mensa vor dem Altarbild herstellt. Damit wird dokumentiert, daß das im irdischen Raum Vollzogene auf das Endgeschichtliche/Ewige vorbildhaft hinweist und sich dort vollendet (vgl. S. 17).
Die folgenden Ausführungen zum „Altarbild im 15. Jahrhundert“ (S. 48), zur „Problematik einer Altartypologie: Sakramentsaltäre“ (S. 56), zum „Altarsakrament“ (S. 61) und zu den „Retabelprogrammen nach Aufgaben im eucharistischen Kult“ (S. 70) sind wichtig und notwendig, hätten aber sachentsprechend an den Anfang von Abschnitt II gehört.
„Das Exemplum als rhetorische Bildstrategie“ (S. 97-167) stellt sowohl Präfigurationen der Sakramentsverehrung in Anbetungsdarstellungen (van der Weyden, Memling, van der Goes) vor, als auch negative und antithetische Exempla (u.a. Bosch). Die „Ausstellung/Präsentation des Opferleibes Christi“ (S. 169-191) beschränkt sich auf Campin, Memling und van der Weyden.
Die „Manducatio per Visum“ (S. 199-226) befaßt sich mit dem privaten Andachtsbild, dessen Thematik allerdings nicht die Eucharistie, sondern die „Anbetung des Kindes“, „Kreuzabnahme“ u.a. sind. Ob in diesem Kontext von einer „Manducatio per Visum“ überhaupt gesprochen werden kann, dürfte theologisch höchst fraglich sein. So sind denn auch die Interpretationen von Heike Schlie z.T. sehr gewagt und erfordern eine gewissenhafte Hinterfragung.
„Sakramentaler Realismus von Jan van Eyck bis Hieronymus Bosch“ – dieser Untertitel der Studie provoziert die Frage nach dem Realismus in der altniederländischen Malerei allgemein. Auf knapp 60 Seiten (S. 227ff.) äußert sich die Verfasserin dazu. Sehr bedauerlich ist, daß erst jetzt (und nicht zu Anfang) ein eigener Abschnitt dem „Sakramentalen Realismus“ (von knapp zwei Druckseiten, S. 279f.) eingeräumt worden ist. „Sakramentskult und Bildbegriff“ (als „Ausblick“) beschließt die Studie (S. 293-333).
Schlie hat in ihre tiefschürfende Forschungsarbeit neben der Kunstgeschichte berücksichtigt: Theologie, Philosophie, Mystik und Spiritualität, um zu einer fundierten eigenen Beurteilung und Deutung zu kommen, die allerdings teilweise spekulativ und anfechtbar sind, aber durchaus vieles für sich haben können, doch nicht müssen. Dies ist überdies ein Zeichen von Forschung schlechthin.
Leider weist die Studie einige sehr fragwürdige, theologisch anfechtbare Postulate auf: „Der Kruzifix [auf dem Bild der Geburt Christi] weist den biblischen Ort der Geburt Christi als liturgischen Ort des Messopfers und das Kind als zukünftigen Opferleib aus. Die dargestellte Inkarnation des Logos, von den Königen verehrt, wird in Beziehung gesetzt zu der Inkarnation des Leibes Christi im Meßopfer“ (S. 117), woraus zu folgern wäre, daß die Anbetung des im Stall von Bethlehem geborenen Christuskindes mit der Anbetung des Altarsakramentes zu identifizieren ist.
„Die Fleischwerdung Christi [seine Geburt], die in der Konsekration der eucharistischen Gestalten im Kult wiederholt [!] wird“, (S. 123, vgl. S. 139) wie auch das „Messopfer als Wiederholung [!] des Erlösungsopfers“ (S. 61f.) stimmt so nicht. „Wiederholt“ wird in der Eucharistie nichts, wohl aber wird unter den konsekrierten Gestalten von Brot und Wein das Opfer von Golgatha „re-präsent“ gesetzt, auf keinen Fall aber wird repräsent gesetzt die Fleischwerdung Christi in seiner Geburt!
Über Luthers Eucharistielehre hätte Schlie sich besser informieren müssen (vgl. S. 171f.). Leider gibt es noch einige weitere theologische Unrichtigkeiten in dieser Studie.
Die Bilddokumentation am Ende des Buches ist hinsichtlich der besprochenen Kunstwerke vollständig. Manchen schwarzweiß Reproduktionen fehlt jedoch die Konturklarheit.