Mit dem vorliegenden dritten Band schließt Richard Evans seine monumentale Trilogie über das Dritte Reich ab. Enthusiastisch feierten die meisten Kritiker die ersten beiden Bände, und bisher waren auch die Besprechungen des Bandes über den Krieg voll des Lobes. Und in der Tat: glänzend geschrieben unter kluger und ausführlicher Präsentation privater Quellen, thematisch so umfassend man es sich nur vorstellen kann ' mühelos und mit Spannung liest man nahezu 1000 Seiten Text.
In sieben großen Kapiteln schildert Evans die Geschichte des Deutschen Reiches im Zweiten Weltkrieg und darüber hinaus: Soweit möglich skizziert er das Nachkriegsschicksal sowohl der deutschen Täter als auch der Tagebuchschreiber, auf deren Zeugnisse er so umfangreich zurückgreift.
Dass diese Einbeziehung privater Quellen sein Darstellungsprinzip ist, wird direkt zu Beginn deutlich, als er den deutschen Einmarsch in Polen zunächst den amerikanischen Journalisten William L. Shirer, dann den Warschauer Juden Chaim Kaplan und schließlich den polnischen Arzt Zygmunt Klukowski im ostpolnischen Szczebrzeszyn schildern lässt.
Eines der sieben Kapitel ist der 'Endlösung' gewidmet, doch sind die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden das große Thema dieses Bandes, in jedem Kapitel spielt ein anderer Aspekt des Judenmords eine Rolle. Jedoch wird auch das Leid all der anderen Opfer dieses Krieges, der Verfolgten, aber auch der zivilen Bevölkerungen in den besetzten und am Krieg beteiligten Ländern, der Kriegsgefangenen und der Ausgebombten, umfassend geschildert. Evans bringt viele der Biographien der handelnden Personen in seine Darstellung ein und zitiert aus ihren Quellen. Auch wenn viele dieser Selbstzeugnisse im Einzelnen bereits bekannt sind (der Verfasser stützt sich nahezu ausschließlich auf Quellen, die in englischer oder deutscher Sprache veröffentlicht wurden), sind sie in dieser Zusammenstellung ungemein eindrucksvoll.
Es erscheint fast kleinlich, soll aber trotzdem gesagt werden: Im Detail gibt es Fehler und Ungenauigkeiten, manche Schilderungen sind etwas unscharf und einseitig, so etwa die Feststellung, im Getto Litzmannstadt habe es ausschließlich vom Judenältesten selbst organisierte kulturelle Veranstaltungen gegeben (S. 94). Das Absinken der Anzahl deutscher Juden, die während des Krieges auswandern konnten, wird damit in Verbindung gebracht, dass der 'Zwang zur Auswanderung' inzwischen 'angesichts des Arbeitskräftemangels seine höchste Priorität' verloren habe (S. 95). Heydrich, Eichmann und Co. wollten weiterhin unbedingt, dass so viele Juden wie möglich das Reich verließen, doch war dies seit Beginn des Krieges erheblich erschwert. Das Untergrundarchiv des Warschauer Gettos wird nahezu auf Emanuel Ringelblum reduziert, der zwar zweifellos die zentrale Person ist, doch wären die umfangreichen Aktivitäten von 'Oneg Schabbat' ohne Ringelblums zahlreiche Mitstreiter kaum möglich gewesen.
Doch bleiben kleinere Unstimmigkeiten wahrscheinlich bei einer solch großen Synthese unmöglich aus. Denn was Evans hier unternimmt, ist tatsächlich eine Gesamtgeschichte, kein Aspekt bleibt außen vor und in fast allen Bereichen argumentiert er klug und immer auf der Höhe der Forschung.
Richard Evans´ große Geschichte des Dritten Reichs im Zweiten Weltkrieg besticht durch eine spannende und atmosphärisch dichte Darstellung, die doch nie ins Plaudern abdriftet. Als deutscher Historiker blickt man geradezu neidisch auf diese angelsächsische Kunst, Geschichte zu erzählen.