Die Tagebücher von Else Behrend-Rosenfeld wurden kurz nach dem Krieg veröffentlicht, und ihre Geschichte ist daher einem interessierten Leserkreis bereits vertraut. Während ihr Mann Dr. Siegfried Rosenfeld, ehemaliger preußischer SPD-Landtagsabgeordneter, noch kurz vor dem Beginn des Zweiten Weltkriegs emigrieren konnte, blieb Else in München zurück. Sie schrieb ihr Tagebuch als Dauerbrief an ihren Ehemann, berichtete darin über ihre zunehmend schwerer werdende Arbeit als Fürsorgerin in der Jüdischen Gemeinde in München, über Deportationen und ihre Hilfsaktionen für die Verschleppten, über ihre Kasernierung in der 'Heimanlage' Berg am Laim, wo sie die Wirtschaftsleitung übernahm. Bis zum Sommer 1942 blieb Else Behrend-Rosenfeld in Berg am Laim, musste den zur Deportation ausgewählten Juden beim Packen ihrer wenigen Habseligkeiten helfen, wurde Zeugin, wie immer mehr ihrer Freunde und Bekannte 'in den Osten' verschickt wurden. Nachdem sie im Frühjahr 1942 bereits selber einmal auf der Deportationsliste stand, jedoch wieder freikam, ging sie im August 1942 nach Berlin in die Illegalität. Im Juni 1943 kam sie nach Freiburg, bevor es ihr im April 1944 gelang, über die Schweizer Grenze zu fliehen. Im März 1946 kam Else in Großbritannien wieder mit ihren ebenfalls emigrierten Kindern und ihrem Mann zusammen. Siegfried Rosenfeld war jedoch schwer krank und starb im Dezember 1947. Else Behrend-Rosenfeld blieb zunächst in Großbritannien bei ihren beiden Kindern Peter und Hanna, später lebte sie teils dort, teils in Icking. Sie starb 1970 in Birmingham.
Waren bisher nur die Aufzeichnungen Else Behrend-Rosenfelds bekannt, haben die Herausgeber der vorliegenden Publikationen ' die Historiker Marita Kraus, Professorin an der Universität Augsburg, und Erich Kasberger, ehemals Geschichtslehrer in Berg am Laim, der gemeinsam mit seinen Schülern 1985 begonnen hatte, die Geschichte des dortigen Lagers zu erforschen ' diese eindrucksvoll ergänzt. Durch Kontakte zu den Kindern der Rosenfelds in Großbritannien liegen ihnen zeitgenössische Briefe beider Ehepartner, die Aufzeichnungen von Siegfried Rosenfeld im Exil und umfangreiches fotografisches Material vor. Die Sicht beider Partner, die zwischendurch über lange Zeit keinerlei Kontakt mehr hatten, und die Bedeutung dieser Trennung, die Ungewissheit des unter dürftigen Bedingungen im Exil lebenden Ehemanns und seine Schuldgefühle, werden auf beklemmende Weise deutlich. Ein großformatiges, reich bebildertes Quellen- und Lesebuch liegt hier vor, neben den Briefen und Aufzeichnungen sind jeweils ausführliche Kommentare und Erklärungen gesetzt. Textgrundlage für die Aufzeichnungen Else Rosenfelds ist die von ihr selbst Mitte 1945 bearbeitete Buchfassung, wobei unklar bleibt, wie groß die Eingriffe in den Originaltext damals waren.
Der Münchner Volk Verlag vertreibt dankenswerter Weise gemeinsam mit dieser wichtigen Publikation noch ein vom Bayerischen Rundfunk produziertes Hörbuch. Von glänzenden Sprechern, allen voran Gert Heidenreich, wird hier anhand eines von Marita Krauss erarbeiteten Textes und unter Verwendung zahlreicher der im Buch veröffentlichten Dokumente die Geschichte des Ehepaares erzählt. Vor allem jedoch kommt Else Behrend-Rosenfeld selbst zu Wort: In 23 Folgen á 15 Minuten hatte sie im Jahre 1963 der BBC von ihrem Schicksal berichtet, die Originalbänder standen für die Hörbuchproduktion zur Verfügung.
Buch und Hörbuch ergeben gemeinsam die eindrucksvoll dokumentierte Geschichte einer jüdischen Familie, die außergewöhnlich und doch auf erschreckende Weise auch typisch ist.