Die "Entjudung" des Wohnraums
"Judenhäuser" in Bochum

Lange bevor die deutschen Juden seit dem Herbst 1941 systematisch 'in den Osten' deportiert wurden, mussten die meisten von ihnen ihre Wohnungen oder Häuser verlassen und damit auch vieles von dem, was ihr bisheriges Leben geprägt hatte, zurücklassen. Mit dem Gesetz über die Mietverhältnisse mit Juden vom 30. April 1939 hatte der NS-Staat die rechtliche Grundlage dafür geschaffen, Juden mit nur geringem zeitlichen Vorlauf vor die Tür zu setzen. In sogenannten Judenhäusern war ihnen zu wohnen erlaubt.
Die Geschichte dieser Häuser, in denen es im Grunde bereits innerhalb des Deuschen Reichs zu einer Gettoisierung kam, stand bisher kaum im Fokus der Forschung über die Judenverfolgung. Nach der grundlegenden Studie von Marlies Buchholz (Die hannoverschen Judenhäuser, Hildesheim 1987) erschien nur wenig zum Thema. Nun hat Hubert Schneider, der wohl größte Kenner der Geschichte von Juden in Bochum, eine umfassende Darstellung der zehn 'Judenhäuser' in Bochum und ihrer Bewohner vorgelegt.
Detailliert schildert er die Geschichte der jeweiligen Häuser, vor allem aber erzählt er vom Schicksal der Juden, die in diese Häuser umziehen mussten. Wer waren diese Menschen, wie haben sie vor 1933 gelebt, wie verlief ihr Weg bis zum erzwungenen Umzug und was geschah danach mit ihnen? Hubert Schneider ist der Initiator des Vereins 'Erinnern für die Zukunft e.V.', der dafür Sorge trug, dass die Stadt Bochum 1995 ihre ehemaligen jüdischen Bürger einlud. Zu den meisten der damaligen Besucher hielt er danach Kontakt. Diesem Umstand ist es zu verdanken, dass Schneider auf einen umfangreichen Fundus privater Dokumente, Interviews und Briefwechsel zurückgreifen und damit Einblicke in das Schicksal der Bewohner der 'Judenhäuser' geben kann, die sonst so wohl nicht möglich wären. Aus diesen Quellen zitiert er ausführlich. Darüber hinaus wertet er die einschlägigen Archivalien wie 'Arisierungs'-, Rückerstattungs- und Wiedergutmachungsakten, vor allem aus den Beständen des Stadtarchivs Bochum und des Nordrhein-Westfälischen Staatsarchivs in Münster aus und ordnet die Bochumer Vorgänge zudem in Exkursen in den Gesamtzusammenhang ein.
Was Hubert Schneider hier vorlegt, ist eine wissenschaftliche Studie über die 'Judenhäuser' in NS-Deutschland, zugleich aber auch eindrucksvolles und berührendes schriftliches Denkmal für zahlreiche der Bochumer Juden.