Panorama
Roman in zehn Bildern

H.G. Adler (1910-1988) ist den meisten vor allem als Historiker bekannt, der selbst Theresienstadt und Auschwitz überlebt und später mit 'Theresienstadt. Das Antlitz einer Zwangsgemeinschaft' (1955) und 'Der verwaltete Mensch. Studien zur Deportation der Juden aus Deutschland' (1974) zwei Standartwerke geschrieben hat. Als Schriftsteller hat man den Prager Deutschen jüdischer Herkunft nur wenig wahrgenommen, sehr zu seinem Leidwesen. Nun ist eine Neuauflage seines ersten Romans mit einem Nachwort seines Sohnes Jeremy Adler erschienen. Bereits 1948 hat Adler die aus zehn Bildern und einem 'Vorbild' zusammengestellte Lebensgeschichte von Josef Kramer, die unverkennbar starke biografische Züge trägt, geschrieben, erstmals veröffentlicht wurde das Buch nach verschiedenen Problemen mit Verlagen erst 20 Jahre später in einer veränderten Fassung. Der Protagonist wird von seiner frühen Kindheit in Prag über ein böhmisches Dorf bis in die Zwangsarbeitslager der Nazis, nach Auschwitz und in die englische Emigration verfolgt. Diese individuelle Geschichte ist eng eingebunden in die historische Entwicklung, in jedem Bild ist Josefs Erleben stark geprägt vom jeweiligen historischen Hintergrund.
Die ersten Bilder, durch die sich leitmotivisch das Panorama in verschiedenen Bedeutungen zieht, haben mitunter satirische Züge, die jeweiligen Orte sind zwar zu entschlüsseln, haben aber fiktive Namen. Die Beschreibungen der Lagerwelt dagegen sind intensiv und detailliert. Die Orte werden beim Namen genannt. Viele der Themen, die in der Lagerliteratur häufig eine Rolle spielen, kommen bei H.G. Adler bereits vor, er setzt hier Maßstäbe in der Beschreibung der grausamen Lagerwelt. So stellt er dar, wie die Sprache ihre Bedeutung und Form verliert, er schildert den Zeitverlust im Lager (das, das Dan Diner später 'gestaute Zeit' nennt). Juden und SS-Männer kommen bei ihm kaum vor, es sind die 'Verlorenen' und die 'Verschworenen' . Ungeheuer intensiv sind Adlers Beschreibungen des Inneren einer Baracke und der Angst, die immer da ist. Das letzte Bild ('Schloß Launceton' ) hat kaum noch Handlung, hier stellt der 'Verlorene' , der nun ein 'Vergessener' ist, philosophische Betrachtungen über die Welt, über Freiheit an; bereits in den Lagern hatte der Protagonist ethischen Überlegungen über die Freiheit angestellt. Er hat sich nicht von seinen Verfolgern vorschreiben lassen, wie und was und ob überhaupt er denken soll. Sein Sohn schließt im Nachwort: 'Er bleibt ein freier Mensch.' (S. 623).