Texte im Dialog
Die frühen Theaterstücke von Marieluise Fleißer und Veza Canetti

Bei der vorliegenden, 2008 bei Peter Lang erschienenen Arbeit von Natalie Lorenz handelt es sich um eine Dissertation der Freien Universität Berlin (2006).
Gegenstand des Buches sind die intertextuellen Bezüge jeweils zweier Dramen der Autorinnen Marieluise Fleißer ('Fegefeuer in Ingolstadt', 'Pioniere in Ingolstadt') und Veza Canetti ('Der Oger. Ein Stück', 'Der Tiger. Ein Lustspiel im Alten Wien'). Bereits in der Auswahl der Texte, die bei Fleißer und Canetti an demselben Ort, d.h. Ingolstadt und Wien, spielen, liegt das erste Anzeichen für eine konsequente und durchdachte Arbeit. Auch die thematische Ähnlichkeit der Dramen scheint bei der Auswahl ein Kriterium gewesen zu sein, da alle vier von der Unterdrückung der Frauenfiguren und den Geschlechterrollen 'weiblich' ' 'männlich' getragen werden. Zudem sind die Texte bislang nur selten von der germanistischen Forschung berücksichtigt worden, was die besondere Leistung der Autorin unterstreicht.
Die für die Hauptanalysen unentbehrlichen entstehungsgeschichtlichen Kommentare und Handlungswiedergaben sind jeweils konsequent vorangestellt. Auch an zeitgenössischen Kritiken fehlt es nicht.
Die Untersuchung der Intertextualität der Werke stützt sich nicht nur auf bestehende Analysen, vielmehr ist die kritische Auseinandersetzung mit diesen von Bedeutung. So z.B. wenn die Autorin die Textzusammenhänge zwischen 'Fegefeuer in Ingolstadt' und Hebbels 'Maria Magdalene' über die Dramen Bertolt Brechts und Arnolt Bronnens erklärt.
Allerdings vermisst man in dieser Arbeit auf die Autorinnen bezogene geschlechterspezifische Ausführungen: Dieser Mangel erscheint umso schwerwiegender als beide, sowohl Fleißer als auch Canetti, in ihrem Schaffen auf die Werke großer männlicher Autoren zurückgreifen. Dieser Aspekt wird nur am Rande im Schlusswort berücksichtigt.
Dessen ungeachtet bietet Natalie Lorenz mit ihrer Arbeit einige neue Einblicke in das bis jetzt immer noch vernachlässigte Schaffen von Fleißer und Canetti und eröffnet neue Perspektiven für die germanistische Literaturforschung.