H.G. Adler (1910-1988)
Privatgelehrter und freier Schriftsteller

'Ich kann, glaube ich, mit Recht sagen, daß ich der erfolgloseste, unbekannteste und verkannteste deutschsprachige Autor von einiger Begabung bin.' Dies sagte H.G. Adler 1969 in einem Interview. Franz Hocheneder ist nun angetreten, dem Literaten Adler zu seinem Recht zu verhelfen und gleichzeitig den ' vor allem als solchen bekannten ' Historiker Adler gegen alle Kritiker vehement zu verteidigen.
In der Tat wurde und wird H.G Adler als Lyriker und Literat nur wenig wahrgenommen und eine biographische Untersuchung, die hier ihren Schwerpunkt setzt, ist durchaus zu begrüßen. Adler ist den meisten nahezu aussschließlich als Verfasser der ersten großen Untersuchung des Gettos Theresienstadt bekannt, dessen Überlebender er selber war. Auch sein zweites monumentales Standardwerk zum Holocaust 'Der verwaltete Mensch' dürfte bekannt sein. Weniger bis kaum ist der Öffentlichkeit jedoch geläufig, wie sehr sich Adler selbst als Schriftsteller verstand. Und seine literarischen Werke sind ungleich unbekannter als seine historisch-soziologischen. Hocheneder wertet Adlers umfangreichen Nachlass und seine Werke aus und schreibt aus diesen heraus eine Biographie des Autors, indem er immer wieder auch die Romane mit dem Leben Adlers verknüpft. Das ist verdienstvoll und mitunter auch sehr spannend.
Jedoch mangelt es dem Verfasser deutlich an Distanz zur Person, über die er schreibt. Vieles wird ohne weitere Einordnung und ohne weitere Quellen oder Literatur aus den Werken Adlers übernommen. Kritisert werden nur die anderen ' die, die Adler kritisieren. Das stört die Lektüre erheblich. Im Mittelpunkt steht hier Adlers Theresienstadt-Buch und seine Einschätzung der jüdischen Verwaltung. Diese wiederum wurde in der Folge häufig kritisch gesehen, ohne jedoch, wie Hocheneder es misszuverstehen scheint, dass die gesamte historische Zunft darüber den immensen Wert dieses Standardwerks über Theresienstadt verkannt hätte. Adlers herausragendes Werk bedarf nicht einer kritiklosen Verteidigungsschrift gegen all die anderen, die ihn vermeintlich nicht verstehen oder nicht zu würdigen wissen. Und wenn Adler selbst seine Arbeiten kritisert, erscheint Hochenender dies als 'nicht ganz begreiflich' (S. 181). Und so wirkt auch die Beteuerung des Autors: 'Es soll hier keinesfalls der Versuch unternommen werden, Adlers Theresienstadt-Buch gegen eventuelle neuere und gesicherte historische Erkenntnisse zu verteidigen ' das liegt mir freilich fern' (S. 167 f.) wie ein bloßes Lippenbekenntnis.
Es ist nichts dagegen einzuwenden, dass ein Biograph große Sympathien für die Person hegt, über die er schreibt. Eine Biographie darf mit Empathie geschrieben sein. Doch in diesem Fall ist es des Guten ein wenig zu viel. Das ist schade, denn in den Teilen des Buches, in denen Hocheneder Adlers Biographie anhand der von diesem selbst verfassten Texte nacherzählt, ist die Darstellung durchaus sehr lesenswert und äußerst interessant. Und sie macht, dies ist ja auch so intendiert, Lust auf Adlers literarische Arbeiten. Doch wird diese Lust, Adler genauer zu entdecken, immer wieder durch empörte Ausrufe gedämpft, in denen dem Leser erklärt wird, was bisher alles 'noch nicht ausreichend gewürdigt' oder 'ausreichend erkannt' wurde.